Heft 3–4/2023
Rundfunk und Geschichte
Heft 3–4/2023
ISSN 2751-1650 (Online)
Beiträge
Birgit Bernard
Das „Führerprinzip“ in der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft (1937–1945)
Christoph Franke
Karl-Eduard von Schnitzler. Facetten eines Heldenepos
Abstract
Karl-Eduard von Schnitzler (1918-2001) gehört zu einer der umstrittensten Journalisten Deutschlands. Schnitzler polarisiert bis heute. Die marxistische Zeitung „Junge Welt“ produziert seit August 2019 eine Medienkritik mit dem Titel „Der schwarze Kanal“ als Video- und Audio-Podcast. Und im Oktober 2023 kündigte die rechtskonservative Stiftung Meinung und Freiheit die Vergabe eines Karl-Eduard-von-Schnitzler-Preises für Propaganda-Journalismus als Negativ-Preis an. Schnitzlers Vita wurde bisher im Wesentlichen durch seine Autobiographie bestimmt. Christoph Classen und Gunter Holzweißig weisen in ihren Publikationen darauf hin, dass die Autobiographie Schnitzlers voller Widersprüche steckt. Die von Karl-Eduard von Schnitzler selbst entworfene Lebensgeschichte wird durch die Auswertung einer breiteren Quellenbasis, vor allem durch Heranziehung mehrerer von ihm verfassten Lebensläufe, ausführlichen Auskunftsberichten zu Schnitzlers Werdegang aus dem Stasi-Unterlagen-Archiv und dem Nachlass Schnitzler aus dem Deutschen Rundfunkarchiv überprüft und korrigiert. Wie passte Schnitzler seine Lebensbeschreibungen den jeweiligen Erfordernissen an und handelt es sich bei der Autobiographe um eine, wie Christoph Classen es formuliert, „kommunistische Wunschbiographie“? Eine umfassende Biographie über Karl-Eduard von Schnitzler, die auch sein publizistisches Werk analysieren und kontextualisieren wird, ist in Vorbereitung.
Heiner Stahl
Der Osten: Von Gegenwartsbezeichnungen und Verortungen der Vergangenheit. Die Medienerzählungen westdeutscher Fernsehanstalten in den 1960er Jahren
Fredrik Stiernstedt
Frauenkampf und Medienreform. Das Radiokomitee der schwedischen Frauenverbände, 1933–1940
Abstract
Media history has often been an institutional history, written from the perspective of the dominating organizations (e.g. Ekström & Djerff-Pierre 2013). The social history of the media has been given less attention. This paper contributes to a social history of Swedish broadcasting, through an analysis of a movement for media reform. This movement for media reform is the so-called Swedish Women’s Movement’s Radio Committee, formed in 1933 and operating until 1940. The committee was a joint effort by all established women’s organizations in Sweden at the time, formed with the goal of strengthening the role of women in the developing public service radio, and especially providing a platform for women to raise demands on influence in the decision-making (both political and within the broadcasting company) around the development of this new media form. The work of this media reform movement was in many ways successful, and had marked effects on the public service broadcaster, for example by including women on their board and in management and by developing new forms of content, more adapted to a female audience.
The article analyzes the Swedish Women’s Movement’s Radio Committee and their work in the 1930s and asks what they did, how they did and with what effects? In what ways can their work be understood as a movement for media reform? The overarching purpose is to provide a piece of the social history of (Swedish) broadcasting by analyzing how its development has been embedded in broader societal contexts. Through the example of the Swedish Women’s Movement’s Radio Committee as a successful media reform movement, the paper also provides a better understanding for the conditions for conducting media reform today.
The paper builds on analysis of archival material from the Swedish National Archives documenting the Swedish Women’s Movement’s Radio Committee as well as secondary sources such as memoirs and newspaper materials.
Dieser Artikel leistet durch eine Analyse einer Medienreformbewegung einen Beitrag zur Sozialgeschichtsschreibung des schwedischen Rundfunks. Der Fokus liegt genauer gesagt auf dem Radiokomitee der schwedischen Frauenverbände, das 1933 gegründet wurde und bis 1940 tätig war. Das Komitee war eine gemeinsame Anstrengung aller etablierten Frauenorganisationen in Schweden und wurde mit dem Ziel gegründet, die Rolle der Frauen in dem sich entwickelnden öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu stärken, insbesondere um Frauen eine öffentliche Plattform zu bieten. Dies ging mit der Forderung nach Einfluss auf die Entscheidungsfindung rund um die Entwicklung dieser neuen Medienform einher.
Der vorliegende Artikel analysiert das Radiokomitee der schwedischen Frauenverbände und dessen Arbeit in den 1930er Jahren und stellt dar, welche politischen Ziele verfolgt wurden und welche Auswirkungen die Tätigkeiten des Komitees hatten. Es wird des weiteren die Frage erläutert, inwiefern die Arbeit des Komitees als Medienreformbewegung verstanden werden kann. Die Analyse basiert auf Archivmaterial, welches die Arbeit des Radiokomitees der schwedischen Frauenverbände dokumentiert, sowie auf Sekundärquellen wie Memoiren und Zeitungsmaterialien.
Ferdinand Klüsener
Ästhetik ± Didaktik. Zur radiophonen Produktionsästhetik von Bertolt Brecht, Heiner Müller, Ulrike Meinhof und Rimini Protokoll
Abstract
Der Artikel fokalisiert zentrale produktionsästhetische Diskursfiguren der Radiogeschichte, dort wo sie zugleich Kunstgeschichte ist. Es geht um das Verhältnis von Ästhetik und Didaktik und darum, wie dieses Verhältnis die Hervorbringung der radiophonen Künste des Langen zwanzigsten Jahrhunderts überdeterminiert. In diesem Zusammenhang geht es darüber hinaus darum eine heuristische Definition für diese radiophonen Künste anzudeuten, die sich unter dieser konzeptuellen Aufspreizung, oder Dyadisierung, versammeln. Dabei geht es zunächst um das Verhältnis von Bertolt Brecht (1998-1956) und Arthur Rimbaud (1854-1891) auf der Grundlage einer für die radiophonen Künste – meiner Einschätzung nach – zentralen Denkfigur, die sich in Herbert Marcuses (1898-1979) Veröffentlichungen der 1980er Jahre findet. Es ist dieses Verhältnis, welches sich in Didaktik und Ästhetik aufspreizt und welches diese Denkfigur markiert, in der der Artikel seinen Ausgang nimmt. Die historische Genese dieser Diskursanordnung wird dann anhand einiger Gegenstände entfaltet, die eher knapp angesprochen werden, und die vornehmlich die Radioarbeit von Brecht und Heiner Müller (1929-1995) betreffen. Exemplifiziert wird die Anordnung schließlich etwas detaillierter anhand zweier Hörgegenstände. Es sind Ulrike Meinhofs (1934-1976) Radiofeature Guxhagen, Mädchen in Fürsorgeerziehung (HR 1969) und Rimini Protokolls Hörspiel Peymannbeschimpfung (WDR 2007).
The article focalizes central production-aesthetic discourse figures of radio history, where it is at the same time art history. It is about the relationship between aesthetics and didactics and how this relationship overdetermines the production of the radiophonic arts of the long twentieth century. In this context, it is furthermore a matter of suggesting a heuristic definition for these radiophonic arts that gather under this conceptual spread, or dyadization. In doing so, I will first address the relationship between Bertolt Brecht (1998-1956) and Arthur Rimbaud (1854-1891) based on a figure of thought that is – in my estimation – very relevant to the radiophonic arts and that can be found in Herbert Marcuse’s (1898-1979) publications of the 1980s. It is this relationship, splayed out in didactics and aesthetics, that marks this figure of thought in which the article takes its departure. The historical genesis of this arrangement is then unfolded based on a few objects that are addressed rather succinctly, and which primarily concern the radio work of Brecht and Heiner Müller (1929-1995). Finally, the arrangement is exemplified in somewhat more detail by means of two listening objects. These are Ulrike Meinhof’s (1934-1976) radio feature Guxhagen, Mädchen in Fürsorgeerziehung (HR 1969) and Rimini Protokoll’s radio play Peymannbeschimpfung (WDR 2007).
Rundfunkjubiläum
Susanne Hennings
Die Geschichte des Vox-Hauses
Forum
Déborah Gay
Tagungsbericht: Mapping the professional sphere and presence of women in radiophonic media. Women on air, part 1
Dieter Lohr
Tagungsbericht: ‘This is Channel Earth’ – 100 Years of Radio Drama International. Medienwissenschaftliches Symposium, 24./25. September 2022 an der Universität Regensburg
Thilo Schwer
Tagungsbericht: 100 Jahre Rundfunk aus designgeschichtlicher Perspektive. Jahrestagung der GfDg am 2. und 3. Juni 2023 in Mannheim
Vera Schneider
Podcast: Der Osten im Westen. Literarische Schätze aus den Rundfunkarchiven
Mitteilungen aus dem Studienkreis
Name Edgar Lersch
Nachruf: Zum Tod von Ansgar Diller
Susanne Hennings
Meldung aus dem DRA: Dr. Harald Heckmann verstorben
Uwe Breitenborn
50. Jahrestagung des Studienkreises: 100 Jahre Rundfunk im Do-it-yourself-Betrieb: Basteln, Senden, Mitschneiden, Streamen
Uwe Breitenborn
Mitgliederversammlung des Studienkreises Rundfunk und Geschichte am 14. November 2023