Eine gutgelaunte Runde traf sich am 11. November zum interdisziplinären Austausch über neue medienhistorische Forschungsprojekte via Videoschalte. Wieder dabei waren Erik Koenen und Christian Schwarzenegger von der Fachgruppe Kommunikationsgeschichte der DGPuK sowie Jo Marie Dominiak und Annika Keute von der Nachwuchsgruppe Kommunikationsgeschichte, die sich mit dem neuen Label „New Age Kommunikationsgeschichte“ seit Kurzem von dem etwas in die Jahre gekommenen Begriff des „Forschungsnachwuchses“ entfernen und auf die Karrierebedingungen an deutschen Hochschulen ein kraftvolles, neues Statement für die Mediengeschichte setzen. Der Studienkreis Rundfunk und Geschichte war u.a. mit Uwe Breitenborn, Christoph Classen, Kiron Patka und Christoph Rosenthal vertreten.
Ferdinand Klüsener promoviert am Institut für Theaterwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum und trug zum Thema „Radio und Schizophrenie“ vor. Klüsener möchte das von Gilles Deleuze und Félix Guattari 1972 entwickelte Konzept der Schizoanalyse im Hinblick auf eine neue Radiotheorie untersuchen. Am DFG-Graduiertenkolleg „Literatur und Öffentlichkeit in differenten Gegenwartskulturen“ der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg forscht Eyk Akansu zur Publizität von Lyrik in der DDR. Schwerpunktmäßig beforscht er die von 1967 bis 1990 monatlich erschienene Lyrikreihe „Poesiealbum“ und untersucht die internen bürokratischen Diskurse und Verfahren, die zur Druckgenehmigung oder Ablehnung von Texten geführt haben. Wie der nationalsozialistische Film mit historischen Themen umgegangen ist, untersucht Daniel Körling im Rahmen des DFG-Projekts „Bilder, die Folgen haben – Eine Archäologie ikonischen Filmmaterials aus der NS-Zeit“. Dabei interessiert ihn insbesondere, inwieweit sich zeitgenössische filmtheoretische Schriften im Historischen Film niedergeschlagen haben und welchen Quellenwert der Historische Film für heutige Forschungen besitzt. Mit heutiger Geschichtsvermittlung beschäftigt sich Clara Ödén, die im Bereich Didaktik der Geschichte am Fachbereich 05 der Universität Kassel promoviert. Ihr Hauptgegenstand sind sogenannte Erklärvideos auf youtube, die sich allesamt um Vermittlung von Wissen zur Französischen Revolution bemühen. Produziert oft jenseits institutionalisierter Produktionshintergründe, erreichen solche Filme mitunter hunderttausendfache Abrufzahlen und damit enorme Reichweite. Aus Wien zugeschaltet stellten Elias Berner und Birgit Haberpeuntner ihr Postdoc-Projekt zum österreichischen Nachkriegsradio vor. Gemeinsam leiten sie das interdisziplinäre Projekt „The Affective Construcion of National Temporalities in Austrian Postwar Radio (1945-55)“ und untersuchen in ihrer digital gestützten Forschung den Sound der beiden konkurrierenden österreichischen
Nachkriegssender RAVAG und Rot-Weiß-Rot. Die RAVAG war sowjetisch kontrolliert, Rot-Weiß-Rot eine amerikanische Neugründung. Die inzwischen digitalisierten, sehr heterogenen Bestände wurden 2016 ins UNESCO-Weltdokumentenerbe aufgenommen. Die Forscher*innen wollen mit ihrem Projekt Zugänge zu signifikanten Tönen, aber auch zur historischen Programmerfahrung insgesamt herstellen.
Weitere Infos zum Programm des Medienhistorischen Forums 2022
Kai Knörr