Rundfunkhistorisches Gespräch mit Wolf-Dieter Ring

„Alle haben mir vertraut.“ Der Aufbau des privat-rechtlichen Rundfunks in Bayern

Porträt von Wolf-Dieter Ring
Wolf-Dieter Ring im Gespräch mit Elfriede Walendy.

Elfriede Walendy führte am 8. Dezember 2019 in München das folgende Gespräch. Sie war von 1988 bis 2017 Referentin bei der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg.

Herr Professor Ring, es ist schön, dass ich heute mit Ihnen sprechen darf. Ich möchte gerne mit Ihrem Lebenslauf beginnen. Sie sind 1941 in Wien geboren und dann gibt es eine Lücke, ich habe nichts mehr gefunden. Sind Sie noch in Wien zur Schule gegangen? Sind Sie Österreicher?

Ich bin seit meinem vierten Lebensjahr in Bayern. Mein Vater war Offizier und hat meine Mutter in Wien kennengelernt. Mein Vater war Ostpreuße, meine Mutter Wienerin. Sie haben sich nach dem Einmarsch kennengelernt. In Wien hatten sie eine schöne Wohnung, die war dort gelegen, wo später die Russen in Wien waren. Und da hatten meine Mutter und meine Großmutter Angst und sind nach Bayern geflohen. Mit vier Jahren bin ich also nach Bayern gekommen und bin seitdem hier aufgewachsen. 

Sie haben also auch die Schulbildung in Bayern… 

… ich hatte in Bayern eine schwierige Volksschulzeit auf dem Dorf, mit mehreren Klassen in einem Raum, und der schwierige Zugang dann zum Gymnasium in München. Dort war ich auf einem humanistischen Gymnasium, auf dem Wilhelms-Gymnasium, einem sehr traditionsreichen Gymnasium. Dann bin ich drei Jahre als Zeitoffizier bei der Bundeswehr gewesen, habe mich freiwillig gemeldet. Meinen Wunsch, Offizier zu werden, habe ich jedoch verworfen und stattdessen studiert.

Das ist etwas, das ich jetzt neu erfahre. 

Das steht nirgends. Das ist schlecht, oder? (lacht) Ich habe auch die österreichische Staatsbürgerschaft, die hat meine Mutter, die Wienerin, in der Nachkriegszeit für die Kinder beantragt. Aber die nutze ich nicht. Ich bin in Bayern aufgewachsen und habe natürlich die deutsche Staatsbürgerschaft. 

Sie haben dann in München studiert und das zweite Staatsexamen 1972 mit 31 Jahren abgelegt und anschließend über ein verfassungsrechtliches Thema promoviert. 

Die 31 Jahre habe ich gar nicht nachgecheckt, die können fast nicht stimmen. Ich überlege gerade noch mal. Ja, doch. Haben Sie nachgeschaut? Das wundert mich jetzt. (lacht)

Sie haben ein paar Ausflüge gemacht, unter anderem in die Chemieindustrie und in das Haushaltsreferat des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung. Erst 1975 sind Sie mit „Medien“ in Berührung gekommen, und offensichtlich ist diese Berührung auch nachhaltig geblieben. 

Im Arbeitsministerium war ich, wie Sie zurecht sagten, Referent. Damals nannte man das als Berufsanfänger Hilfsreferent. Da muss ein Beamter einen Außendienst absolvieren, damit er etwas von der Praxis versteht. Beamter blieb man, machte aber den Dienst woanders. Da gab es zwei Alternativen: Vorarbeiten neuer Flughafen München oder der Bayerische Rundfunk. Der BRhat mich sehr gereizt. Reinhold Vöth war vor seiner Tätigkeit als Intendant, Staatssekretär im Arbeitsministerium. Er ist dort zum Personalchef gegangen und hat gesagt, er braucht einen jungen Mann als persönlichen Referenten und er will keinen aus dem Rundfunk nehmen, sondern einen Beamten. Abends haben wir uns getroffen. Er fand mich sympathisch und hat mich für diese Aufgabe als geeignet beurteilt. So fing ich an, bei ihm zu arbeiten. Er war ein ganz toller Chef. Der kommt übrigens in dem Buch vor, aber das sage ich Ihnen nachher. Er kommt auch kritisch vor, da er eine sehr interessante Auseinandersetzung mit Strauß hatte. 

Dann können Sie an dieser Stelle gleich einführen, dass Sie im Oktober ein neues Buch veröffentlicht haben: „Aufbruch zur Medienvielfalt: Entwicklung des privaten Rundfunks in Bayern“. Sie werden im Laufe dieses Gesprächs auf das Buch zu sprechen kommen. 

Ja, das würde ich gerne. Manches habe ich in diesem Buch aufgeschrieben. 

Sie haben ja schon Vorleistungen getätigt und die können diese sehr gerne hier einfließen lassen.

Ich habe mir auch mal ein paar Notizen gemacht, wo auf welcher Seite im Buch was steht. 

Dann können wir hinterher unsere Notizen austauschen. (lacht) Gehen wir weiter. Sie sind dann also bei Herrn Vöth gewesen… drei Jahre lang? Als Sie in der Staatskanzlei waren, waren Sie ja Vorsitzender der Arbeitsgruppe „Rundfunkbegriff“ der Rundfunkreferenten der Länder. In dieser Zeit, 1980, hat ja das Kabelpilotprojekt in München angefangen. Von dieser Gruppe waren Sie der Vorsitzende. 

Da muss ich eine kleine Korrektur anbringen. Der Start des Kabelpilotprojektes in München war am 01.04.1984. Am 01.01.1984 ging es in Ludwigshafen los, also drei Monate vor München. 1980, wurde die Projektkommission1 für das Kabelpilotprojekt München zur Vorbereitung dieses Projekts berufen. Und da war ich Geschäftsführer. Insofern stimmt es schon, dass ich dort ab 1980 als Geschäftsführer tätig war, aber das Kabelpilotprojekt (an sich) kam dann später. Dafür wurde eine Gesellschaft gegründet, die dann die Organisation und die Durchführung des Kabelpilotprojektes vorgenommen hat. Die hieß MPK, Münchner Pilot-Gesellschaft für Kabelkommunikation GmbH. Die hat das Projekt mit einem Chef, der Rudolf Mühlfenzl hieß, durchgeführt. Bevor Mühlfenzl 1986 Präsident der Landeszentrale war, hat er diese Aufgabe übernommen.

Verstehe, er hatte die Leitung inne. Also war das ein Pilotprojekt, das es an drei anderen Stellen in Deutschland ebenfalls gegeben hat. Mit den Ergebnissen haben Sie dann auch nichts zu tun gehabt?

Doch. Die Ergebnisse flossen ja auch in die gesetzgeberischen Aktivitäten und medienpolitischen Diskussionen ein. Sie sind in einem Bericht2 veröffentlicht und haben eine große Rolle gespielt. Die Projektkommission war exzellent zusammengesetzt. Eberhard Witte, ein ganz bekannter Professor, war der Vorsitzende. Professor Peter Lerche dabei. Er war ein berühmter Verfassungsrechtler, übrigens auch mein Doktorvater.

Die Projektkommission war auch mit Leuten aus der Praxis gut zusammengesetzt. Reinhold Kreile zum Beispiel, ein exzellenter Fachmann des Urheberrechts und später GEMA-Präsident. Ich habe als junger Geschäftsführer von den hochkompetenten Mitgliedern viel gelernt, das schreibe ich auch in dem Buch. Im Vergleich zu den anderen Mitgliedern war ich dort der Jüngste. Ich konnte dann auch später in der Praxis dieses Wissen gut gut verwenden.  

Sie verweisen jetzt auf dieses Buch. Können Sie noch inhaltlich etwas dazu sagen? Denn das gesprochene Wort gilt ja im Augenblick.

Ja klar. Einmal war das ja, wie Sie schon zurecht sagen, eines der vier Projekte, die die Ministerpräsidenten der Länder beschlossen haben. Die Idee war, Pilotprojekte zu machen und dabei zu erfahren, ob die Leute überhaupt diese Inhalte wollen und welche gesellschaftlichen Auswirkungen das hat, weil wir eine sehr kritische gesellschaftspolitische Diskussion in Deutschland geführt haben, auch in München war die heftig. Als Geschäftsführer der Projektkommission habe ich regelmäßig über den Fortschritt des Pilotprojekts berichtet. Parallel dazu war die MPK tätig. Gleichzeitig habe ich – vor allem auch davor – die Bürger über die Entwicklung informiert. Hier in München gab es viele Veranstaltungen, auch in Schulen. Wir haben die Bürger eingeladen, vor allem in dem Gebiet, das für die neuen Angebote vorgesehen war. Das war nicht ganz München, sondern nur ein Teil für das Kabelprojekt. Das war für mich eine ganz schwierige Zeit. Ich bin in die Sitzung gegangen, der eine oder andere Professor aus der Kommission hat mich begleitet. Ich war der Geschäftsführer und voller Begeisterung, dass wir jetzt neue Dinge machen und ich wollte diese Begeisterung vermitteln. 

Bei den Veranstaltungen waren dann zwischen 100 und 200 Teilnehmer und dann waren in der Regel dort 90% organisierte Gegner. Die einen dann niedergeschrien haben. 10 oder 20 Bürger haben zugehört und wollten wirklich etwas wissen. Es war ziemlich strapaziös für mich, weil ich das mein ganzes Leben nie erlebt habe. Ich dachte, ich wollte ordentlich sachlich informieren und die gehen so mit einem um. Das hat mich aber fürs weitere Leben stabil gemacht. Eine Bürgerinitiative in München war ganz heftig: die Bürgerinitiative gegen Kabelkommerz, kurz BIKK. Die haben die gesellschaftliche Debatte ziemlich kritisch geführt, zum Beispiel mit so Sätzen wie „Wollen Sie, dass ihre Kinder den Fernseher mehr lieben als die eigenen Eltern?“ oder „Kein Kabelkommerz für die Weltstadt mit Herz!“ oder Zeichnungen, zum Beispiel hat eine Mutter einen Fernseher und durch den Rahmen des Fernsehers reicht sie dem Kind, das sie stillt, ihre Brust. 

Also gab es vor allem die Befürchtung, dass die Kinder nur noch Tag und Nacht vor dem Fernseher sitzen und mit Inhalten gefüttert werden. Amerikanische Verhältnisse in Deutschland, das wollte man unbedingt vermeiden. Daran erinnere ich mich auch noch sehr deutlich.  

Diese Befürchtung war da und die war sehr stark ausgeprägt. Ich habe diese kritischen Stimmen in der Aufbereitung dieser Zeit (im Buch) ziemlich detailliert dargestellt. Die SPD war vor allem dagegen; es war der DGB, also die Gewerkschaften, dagegen; die Rundfunk-Gewerkschaft, die damals RFFU hieß, also die Rundfunk-Fernseh-Film-Union war dagegen; die Mitarbeiter des Bayerischen Rundfunks; die Spitze des BR hat den Eindruck erweckt, sie würde da mitmachen wollen, weil sie auch Vorteile von der neuen Entwicklung für die eigene Entwicklung erwartet hatten, aber auf der Macher-Ebene war eine ganze Reihe von Mitarbeitern des BR, auch zum Teil von Presseunternehmen, gegen diese Entwicklung. Die waren alle in der Bürgerinitiative organisiert. Das war eine schwere, harte Zeit. 

Es gab ja nicht so viele Kabelhaushalte, die da angeschlossen waren. 

Ja, das waren ganz wenige. Es gibt bis heute eine kritische Debatte, ob die Zahlen, die Mühlfenzl damals veröffentlicht hat, richtig waren. Es war eine begrenzte Zahl. Das Problem dieses Projektes in München und auch der anderen Projekte war, dass inzwischen die Entwicklung der Technik die Grundidee „Wir können noch nein sagen, wenn sich das nicht bewährt!“ überholt hatte. Nein sagen zu können als Erkenntnis aus den Projekten, das war inzwischen unrealistisch geworden. Das war einer der Gründe, warum ich immer wieder so beschimpft wurde. Ich habe nämlich immer gesagt, dass es nicht um das „Ob“ geht, dass wir an dieser Entwicklung nicht vorbei gehen können, sondern dass es um das „Wie“ geht. Wir wollen wissen, wie wir das machen, damit es auch möglichst sozialverträglich und vielfältig wird. Das war eigentlich die Idee. 

Die Rückholbarkeit war kein Thema mehr?

Bei mir nicht, bei den Gegnern schon. Die haben darauf rumgeritten und gesagt, dass muss rückholbar bleiben. Ich habe wirklich nicht daran geglaubt, sondern gesagt, dass ich das jetzt der Bevölkerung eigentlich schuldig… naja, ein bisschen hochgestochen formuliert… aber dass man dann ehrlicherweise sagt, wie man diese Entwicklung realistisch sehen wird.

Es gab ja dann auch schon die Lizenzierung von größeren Fernsehveranstaltern/-anbietern…

Ja. Es gab vor allem das, was mich damals auch ganz stark motiviert hatte, diesen ordnungspolitischen Weg zu gehen. Es gab ganz real Einstrahlungen vom Ausland nach Deutschland. Hier in München zum Beispiel vom Schwarzenstein, einem Südtiroler Berg. Da haben UKW-Sender hierher nach München reingestrahlt, ohne dass die eine Lizenz hatten, ohne dass sie sich den Spielregeln unterwerfen mussten. Das gab es im Fernsehen auch. Die Verleger haben auch gedroht, dass sie über Luxemburg eine Satelliten-Lizenz bekommen, um dann mit dem Satelliten über Deutschland ihre Programme zu verbreiten. Das hat sich dann nicht verwirklichen lassen. Also es war eine sehr dynamische Entwicklung. Die Projekte hatten durchaus ihren Sinn. Man hat auch was gelernt und Erfahrung gesammelt, aber sie wurden durch die dynamische Entwicklung Stück für Stück überholt. 

Endete das Projekt nach der vorgesehenen Zeit?

Ja, das war aber gar nicht so lange. Es endete, aber es gab dann ein Gesetz, das ich federführend in der Staatskanzlei als Referent für Medienpolitik auf der Beamtenebene zu verantworten hatte. In diesem Gesetz gab es einen Artikel 7, das Gesetz hieß: Medienentwicklungs- und Erprobungsgesetz. Das zeigt auch, wie vorsichtig man da ran gegangen ist. Das Gesetz war zeitlich auf acht Jahre befristet. Der angesprochene Artikel 7 hat die Verbreitung der im Kabelpilotprojekt schon erprobten und vorhandenen Programme auf ganz Bayern ausgedehnt und es wurde auch um die UKW- und Hörfunknutzung erweitert. Es war also ein Aufbau und deswegen war das schon interessant, wie das zustande kam und welche Programme verbreitet werden konnten. 

Dann kommen wir schon zur Gründung und zum Aufbau der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien, der BLM. Sie sagten ja schon, dass das Kabelpilotprojekt auch mit dem Übergangsgesetz erweitert wurde. Die dort erprobten Kanäle bekamen dann eine bayernweite oder lokale Lizenz. 

Ja. Es waren unterschiedliche Programme. Die, die in Bayern zugelassen waren, bekamen dann eine Lizenz3, man konnte das aber nicht auf das Land begrenzen. Deswegen gab es auch andere Programme, die zum Beispiel in Ludwigshafen ausgestrahlt wurden. Da gab es dann schon die Entscheidung der Ministerpräsidenten, den TV-Sat zu nutzen, also den Satelliten mit fünf Kanälen. Es war also nicht nur Bayern. Natürlich waren UKW und solche Verbreitungen lokal und regional begrenzt, aber es gab nationale Programme, die dann in diesem Rahmen schon bundesweit ausgestrahlt wurden.;

Kommen wir jetzt doch nochmal zu der BLM. Ich habe nachgelesen, dass Sie mit fünf Mitarbeitern angefangen haben. 

Mit fünf Mitarbeitern auf geliehenen Schreibtischen, ohne Sekretärin, nur mit ein paar Studenten. Die fünf habe ich heute wieder zusammengerufen. Die sind dann alle was in der BLM geworden. Die sind Bereichsleiter geworden. Der Herr Heim für Programm; der Herr Müller für Technik; Herr Dr. Neupert, der 1. Justiziar; und Herr Haunreiter, der Frequenzspezialist, den ich vom BR abgeworben hatte. Der Herr Müller war vorher bei der Deutschen Bundespost. Meine Grundüberzeugung, das hatte ich schon im Pilotprojekt und immer wieder erlebt, weil hier bei uns mit Technik getrickst wurde, war: 

Ohne technischen Sachverstand braucht man eine Landesmedienzentrale gar nicht aufzubauen. Man muss den technischen Sachverstand im Hause haben. Das haben andere Landesmedienanstalten dann nachgemacht. Wir waren die ersten, beziehungsweise ich war der erste, der gesagt hat, dass wir technischen Sachverstand brauchen. Ich wurde über die Technik immer belogen. In der Vorphase… das war unglaublich! Zum Beispiel: „Es gibt keine terrestrischen Frequenzen mehr!“, hat der Post-Präsident der Oberpostdirektion in München erklärt, „…und wir können auch keine technischen Investitionen im Olympiaturm installieren, dafür gibt es keinen Platz mehr für die Errichtung von Sendern, um die terrestrische Verbreitung privater Programme zu unterstützen!“. Schwarz-Schilling, der frühere Postminister, mit dem ich für mein Buch auch ein Zeitzeugeninterview gemacht habe, hat das anders gesehen, aber hier war das so. Ich habe mir Rat aus dem Ausland und dann später ins Haus geholt. 

Ja. Ich denke, das ist eines der Erfolgskriterien. Wenn man selbst Messungen über die Ausstrahlung von Frequenzen machen kann, weiß man, was Sache ist. 

Genau. Und dass man die Nutzungsmöglichkeiten der Technik parallel zu dem setzt, was man medienrechtlich und medienpolitisch beschließt. Und das waren die Fünf. Wie gesagt, bei den ersten Fünf sind zwei technische Sachverständige dabei. Einer, der was von Verkabelung verstand und einer, der was von Frequenzen verstand. Das war eine wesentliche Grundlage. 

Das spricht für sich, oder?

Bis heute übrigens noch. Herr Müller scheidet jetzt gerade aus der BLM aus.

Der ist auch ein Urgestein. 

Kontinuität hatten Sie ja auch gesagt. Herr Müller scheidet aus. Er hat zum Beispiel auch mit hoher Qualität diese ganze DAB-Diskussion geführt. Das war und ist nach wie vor eine interessengesteuerte Debatte. 

Dazu kommen wir in der Tat noch. Trotzdem: Fünf Jahre später hatten Sie schon ganz viele Frequenzen lizenziert – wie macht man das mit fünf Menschen?

Erst einmal durch die Überzeugung, dass das eine tolle Aufgabe ist, die uns zwar wahnsinnig fordert, die wir aber erfolgreich bewältigen wollen. Die Leidenschaft hatten wir alle. Ich denke nur mal an Herrn Müller, der kam 01.04.1985 – Beginn der BLM – schweißüberströmt in die angemieteten Räume und da habe ich natürlich gefragt, was mit ihm los sei. Er meinte, dass er sich gestern im Handball eine Verletzung zugezogen habe, die zwar weh tue, wir aber heute die Landesmedienzentrale aufbauen würden und er daher nicht zum Arzt gehen würde. Ich meinte dann, dass er natürlich sofort zum Arzt gehen solle. Er wollte nicht und beharrte auf dem Aufbau der Landesmedienzentrale, die am 01.04. begann. Es waren also diese Leidenschaft und diese Begeisterung, die sehr viel bewirkt haben. Dann gab es ein Gremium,  den Medienrat, der zunehmend seine Eigenständigkeit und sein Selbstbewusstsein gegenüber dem Rundfunkrat des BR entwickelt hat. Solange der Rundfunkrat alleine im Rahmen der gesellschaftlichen Gruppierungen die Diskussion bestimmt hat, war sie sehr einseitig. Als sich der Medienrat zunehmend etabliert und mitgemacht und mitgewirkt hat, hat das ein ausgewogenes Bild ergeben. Dieses plurale Gremium habe ich mein Leben lang für einen wesentlichen Faktor bei dieser Entwicklung gehalten. 

Ich glaube, der hat in Bayern ja auch ein bisschen mehr Einfluss aufgrund der Verfassungsvorgaben, darauf kommen wir auch noch, oder?

Die man unbedingt erwähnen muss, die habe ich, wo immer es passt, erwähnt. Das hängt auch mit dem Erprobungscharakter zusammen. 

Hatten Sie sonst Vorgaben? Mussten Sie irgendetwas beachten?

Es war ein sehr grobmaschiges Gesetz, das nicht sehr detailliert formuliert war, das Medienerprobungs- und Entwicklungsgesetz – MEG – mit sehr vielen Möglichkeiten der Auslegung und der praktischen Anwendung. Man hatte ja kein Beispiel. Es war gut, dass der Gesetzgeber nicht meinte, er könne das alles bestimmen. Das hatte ich auch im Bayerischen Senat, den es damals noch gab, vertreten. Auch im Bayerischen Landtag und in den Arbeitskreisen. Ich war ja monatelang im Bayerischen Senat und habe mich da „rumgeschlagen“. Die Rolle des Senats ist auch ganz wichtig. Der Bayerische Senat war mit seinen Gutachten ein wesentlicher Faktor. Das war damals das Verfahren. Der Senat machte ein Gutachten zum Gesetzentwurf der Staatsregierung. Dieses Gutachten ist in die Gesetzgebungsdebatte eingeflossen. Es gab einen Vorsitzenden, Professor Ekkehard Schumann, mit dem ich auch ein Zeitzeugeninterview gemacht habe, ein sehr bekannter Professor in Regensburg, er ist heute 87 Jahre alt. Der hat erreicht, dass der Senat nach heftigen, monatelangen Debatten ein einstimmiges Gutachten abgegeben hat. Das hat der gesellschaftlichen Zerstrittenheit ein Stück entgegengewirkt. Im Senat waren ja verschiedene gesellschaftliche Gruppen vertreten. Das war also unglaublich wichtig, dass der Debatte, die stark vom BR beeinflusst wurde, etwas entgegengesetzt werden konnte. 

… und dass die Kräfte zusammengewirkt haben…

Ja. Da war noch etwas, was ich erwähnen will, das mit der Verfassungslage, aber auch mit dem Aufbau zusammenhing. Wir haben in Bayern eine Struktur entwickelt, in der es am Anfang Kabelgesellschaften gab. Die regionalen Kabelgesellschaften, die nach bestimmten Kriterien genehmigt wurden, haben eine vorbereitende Tätigkeit für die endgültige Entscheidung durch den Medienrat und durch die Landeszentrale wahrgenommen. Die haben also Vorschläge gemacht und sich mit den Anbietern zusammengesetzt und haben uns dann, immer bei lokalen und regionalen Fragen, Vorschläge gemacht. Wir haben aber entschieden und immer wieder haben wir das etwas anders gesehen, was durchaus Konflikte mit sich brachte. Man hatte vor Ort noch mal ein steuerndes, nach Vorgaben der Landeszentrale und des Gesetzgebers tätiges Organisationselement, was ganz wichtig war. Sonst hätten wir das nicht so schnell aufbauen können. Das griff ineinander. Für die landesweiten, nationalen, bundesweiten Programme war die MPK, die wir schon erwähnt haben, die dann später MGK, Münchener Gesellschaft für Kabelkommunikation, hieß, verantwortlich. Die hatte bei der Vorbereitung der Lizenzen für diese Programme die gleiche Aufgabe. Das hat dann aber sehr schnell zu vielen Konflikten geführt. Da haben zwei um die richtige Lösung gerungen, die BLM und diese überregionale Gesellschaft, von der es nur eine einzige gab. Die war in München und relativ verwöhnt, weil die beim Kabelpilotprojekt ja auch viel bewirkt hat und meinte, dass sie so weitermachen könnte, wie sie das will. 

Ich hätte noch eine Frage zu Ihrem Führungsstil während des Aufbaus. Das ist ja sehr wesentlich, die Erfahrungen mit kleineren Strukturen am Anfang. Wie nimmt der Geschäftsführer, und später dann Präsident, seine Mitarbeiter mit?

Ich hatte immer einen sehr kooperativen Führungsstil. Ich habe auf das unmittelbare Mitwirken der Mitarbeiter ganz großen Wert gelegt. Wir hatten eine wöchentliche Fachbesprechung, so nannte sich das damals. Da sind anfangs die wenigen Mitarbeiter und später dann die Bereichsleiter zusammengesessen. Wir haben immer über alle Grundsatzfragen gemeinsam gerungen und gestritten: „Herr Präsident, so geht das nicht! Das können wir so nicht machen!“ Es war eine sehr offene Diskussionsatmosphäre. Manchmal war das richtig heftig. Ich habe das aber gepflegt. 

… abteilungsübergreifend oder bereichsübergreifend?

Ja, alle Bereiche. Noch ein weiterer Vorteil dieser Aufbausituation war, dass ich nicht nur Juristen hatte, wie den Justiziar, sondern Mitarbeiter aus ganz unterschiedlichen Bereichen. Technik haben wir schon erwähnt. Der Programmbereichsleiter Heim war Kommunikationswissenschaftler. Dann gab es später kaufmännische und medienpädagogische Vorbildungen. Ich habe sehr großen Wert daraufgelegt, dass unterschiedliches Wissen und unterschiedliche Erfahrungen zusammengefügt werden und das war die Idee dieser einmal in der Woche stattfindenden Fachbesprechungen mit stundenlangen Diskussionen. Immer montags um 10 Uhr ging es los. Auch jenseits dieser regelmäßigen Fachbesprechungen habe ich grundsätzlich bei allen Fragen und bei allen Gesprächen jemanden dazu gezogen. Ich habe ganz selten allein Gespräche geführt. Das ergibt sich natürlich so als Präsident. Wenn ich nach Gesprächsterminen gefragt wurde, dann habe ich in der Regel meinen Geschäftsführer dazu genommen, lange Jahre Herrn Gebrande, der gerade aus der BLM verabschiedet wurde. Wenn es um andere Themen ging, habe ich den technischen Sachverstand mit am Tisch sitzen gehabt, oder den juristischen Sachverstand, auch wenn ich selbst Jurist bin. Es war aber viel sinnvoller, den Justiziar mit an den Tisch zu setzen. Das habe ich auch so praktiziert. 

War Ihr Plan von Anfang an, eine große Medienanstalt aufzubauen?

Eigentlich war sie, das kann man auch in den Gesetzesmaterialien nachlesen, mal viel kleiner diskutiert worden. Aber mit dieser Idee, verschiedene Felder abdecken zu müssen, zum Beispiel auch Medienpädagogik oder Aus- und Fortbildung, wo wir sehr viel gemacht haben, gab es automatisch eine Vergrößerung, weil die Aufgaben zugenommen haben. Ich schätze auch sehr die Unterstützung der Politik, jedenfalls der Mehrheitsfraktion, der CSU und die hatte damals eine große Mehrheit. Was ich immer ganz toll fand: wir haben bestimmte Dinge wie z. B. Aus- und Fortbildung einfach gemacht, da wir Qualität in den Sendern brauchten und wir dazu einen Beitrag liefern mussten, auch zu den Wirtschaftlichkeitsproblemen beim Aufbau. Im Nachhinein hat der Gesetzgeber solche Aktivitäten dann als Aufgabe ins Gesetz geschrieben. 

Sie haben Fakten geschaffen. 

Ja. Das wurde auch akzeptiert, allerdings auch durch die Gremien, durch den starken Medienrat und den Verwaltungsrat.  

Da kommen wir auch schon zum Aufbau der bayerischen Medienlandschaft und ihren Besonderheiten. Damals hat jedes Land seine eigenen medienrechtlichen Grundlagen gezimmert. Das ist dann zum Teil sehr unterschiedlich verlaufen. In Bayern gibt es eine Besonderheit, die Sie bestimmt erklären können.

Es gibt den Artikel 111a der Bayerischen Verfassung, wonach Rundfunk in Bayern in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft und in öffentlicher Verantwortung betrieben wird. Die Grundsatzdiskussion, die verfassungsrechtlich natürlich hoch streitig war, lief darauf hinaus, ob eine starke öffentlich-rechtliche Aufsicht eine dezentrale Struktur, die ich gerade schon mit den Kabelgesellschaften beschrieben habe, und eine starke ordnungspolitische Steuerungsmöglichkeit der Aufsicht dieses Trägerschaftsmodell der Verfassung erfüllt. Es gab verschiedene Gutachten. Die Gegner wollten das alles natürlich nicht wahrhaben und haben es logischerweise für verfassungswidrig gehalten. Die Staatsregierung hat mir damals vertraut. Das hat der ehemaliger Ministerpräsident Edmund Stoiber, mit dem ich auch ein Zeitzeugengespräch geführt habe, in meinem Buch bestätigt. Das war ein unglaublicher Vertrauensvorschuss. Das muss man sich mal vorstellen. Da gab es Gutachten von anerkannten Professoren, die gesagt haben, dass das alles verfassungswidrig sei. Ich habe nicht alleine aber im Wesentlichen alleine in den politischen Debatten die Auffassung vertreten, dass, wenn wir ein Erprobungs- und Entwicklungsgesetz verabschieden und das befristen und dann nachweisen, dass das Modell funktioniert, dann wird dies auch der Verfassungslage gerecht. Das ist auch prompt so gekommen. Im Landtag hatten wir heftige Debatten, als die CSU dann endlich auf dieser Linie war, und das war gar nicht so einfach, den privaten Rundfunk einzuführen. Das hat der damaliger Staatssekretär Stoiber durchsetzen müssen. Die Abgeordneten waren ja auch vom BR beeinflusst und waren ja dort auch im Rundfunkrat.

… und die kritische Öffentlichkeit darf man nicht vergessen… 

Ja klar. Die kritischen gesellschaftlichen Gruppierungen, die dabei waren. Und dann war die Diskussion im Landtag, wenn ich im Arbeitskreis der CSU war. „Herr Ring was ist denn jetzt los? Jetzt haben wir uns dazu entschieden, ein Mediengesetz zu schaffen… was soll jetzt  denn dieses Medienerprobungs -und Entwicklungsgesetz, das noch dazu befristet war? Wie sollen da Unternehmen Planungssicherheit finden?“ Es war gar nicht so einfach, das verfassungsrechtliche Risiko, das in einer dauerhaften Regelung gelegen hätte, deutlich zu machen. Ich kann aber sagen, dass mir das gelungen ist. Das war heftig. Der kritische Teil der CSU-Fraktion hat gesagt, dass wir das jetzt mal machen sollen, da das Gesetz in acht Jahren ja sowieso auslaufen wird und wir können dann mal sehen, was wir dann machen werden. Die Befristung war also für die Kritiker relevant. Erwin Huber, der das damals in der Fraktion erlebt hat, hat das in einem Zeitzeugeninterview auch noch mal deutlich gemacht, dass die Kritiker in der Fraktion durch die Befristung beruhigt waren. Es war also eine Gratwanderung. Der Verfassungsgerichtshof hat dann das Modell mit einer Korrektur bestätigt. Die Zusammensetzung des Verwaltungsrats war ihm zu wirtschaftsnah. Das wollte ich eigentlich. Dann wurde das Gesetz angepasst und der Verwaltungsrat neu berufen. Das Modell war damit verfassungsrechtlich abgesichert. 

Sie wollten zwar nicht tiefer auf Rechtsprechung eingehen, aber ich will noch grundsätzlich hinzufügen, dass es beim Verwaltungsgerichtshof in Bayern einen Senat gab, den 25. Senat. Dieser Senat hat jede Entscheidung der BLM, gegen die jemand vorgegangen ist, aufgehoben. Immer! Der war der Meinung, dass das nicht ginge. Der hat sich nicht an die Bindungswirkung des Verfassungsgerichts gehalten, was er eigentlich hätte tun müssen, sondern er hat seine eigene Rechtsprechungspolitik gemacht. Das war sicher auch durch die gesellschaftspolitische Debatte ausgelöst. Natürlich werden dadurch auch die Gerichte beeinflusst. Es war ein ziemlich ideologisch zusammengesetzter Senat. Das kann ich im Nachhinein wirklich sagen. Die Mitglieder des Gerichts waren schon sehr einseitig orientiert. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof wurde dann immer wieder von uns angerufen und hat dann regelmäßig die Entscheidungen des Gerichtshofes korrigiert. Das hatte eine große praktische Bedeutung. Bei einem Fall beispielsweise war das wie folgt, es gab natürlich mehrere Fälle. Als Teleshopping in Bayern als erstem Land auf den Weg gebracht worden ist, mit einem öffentlich-rechtlichen Vertrag, HOT hieß das Unternehmen damals (das inzwischen einen Umsatz von einer ¾ Milliarde oder mehr macht), war das juristisch sehr umstritten. Dieser Vertrag, den wir mit dem Veranstaltern abgeschlossen haben, war auch umstritten. Die Verwaltungsgerichte, die 1. und 2. Instanz, haben das für rechtswidrig gehalten. Teleshopping wäre also gar nicht entstanden. In letzter Minute hat der Verfassungsgerichtshof diese Entscheidung im Eilverfahren korrigiert. Georg Kofler schildert im Buch die Entstehung des Teleshoppings. Sie hätten schon alles einstellen müssen, als kurz vor Weihnachten der Verfassungsgerichtshof die Entscheidung korrigiert hat. Das war nicht der einzige Fall. Die Verfassungslage hat große Fragen aufgeworfen, sicher auch zurecht. 

Es war ja auch vieles neu. Immer wieder wurde Neuland betreten. 

Die Besonderheit rein praktisch: Die BLM besitzt starke Steuerungselemente, zum Beispiel eine weitreichende Anordnungsbefugnis im Gesetz. Es gibt eine starke Stellung des Medienrates als Organ. Die BLM kann nach dem Gesetz auf programmliche Vorgaben einwirken, muss Programmkonzepte genehmigen und ähnliches mehr. Das haben die Anbieter jedoch akzeptiert und akzeptieren das bis heute. Jetzt ist ja sogar die Lizenz für Pro7 von Berlin nach München gewandert. Pro7 hat die Lizenz für die Fortführung der Genehmigung jetzt bei der BLM beantragt und akzeptiert deren stärkere Stellung. Gleichzeitig ist damit eine absolute Kontinuität und Sicherheit in der Lizenzpolitik der BLM und der begleitenden Politik verbunden. Das war das Ausschlaggebende, warum man das auch bei Pro7 akzeptiert hat. Einfach gesagt: Eingriffsbefugnisse über andere Landesmedienanstalten hinaus, dafür Planungssicherheit sowie medienpolitische Unterstützung der BLM und in der Politik. 

Die Begleitung finde ich einen ganz wichtigen Aspekt. Es gibt aber noch ganz viel, was dazu beiträgt, damit etwas erfolgreich ist. Die Veranstalter können sich darauf verlassen, dass sie begleitet werden und dass das Knowhow transferiert wird. Die Aus- und Fortbildung und so weiter…

Genau. Das technische Knowhow, insbesondere zum Nutzen der kleinen Unternehmen, dazu die Aus- und Fortbildung… das waren alles begleitende Aktivitäten, die wir mit diesem Trägerschaftsmodell praktiziert haben. Wir haben uns immer als Teil dieses Systems gesehen, nicht nur als Aufsicht. 

Kann ich zusammenfassen: Sie sind deswegen so groß geworden, weil Sie ihre Aufgaben mehr und mehr in diese Richtung verstanden haben. 

… und weil wir auch die Mittel zur Verfügung hatten. Das kommt hinzu. Man kann sich ja tolle Aufgaben definieren, aber ohne Mittel, um sie durchzusetzen, ist das schwierig. Wir haben ja durch den Einsatz von Staatssekretär Stoiber, diese 2-Prozent-Finanzierung durchgesetzt bekommen, einen Anteil aus er Rundfunkgebühr. 

Sie haben die 2 Prozent komplett bekommen? 

Wir haben sie komplett bekommen. Wo anders wird mehr und mehr abgezogen, so dass man manche Aufgaben gar nicht mehr wahrnehmen kann. Wir bekommen sie zu 100 % und ich habe immer dafür gekämpft, dass ja keiner auf die Idee kommt, irgendwelche Zweckbestimmungen ins Gesetz zu schreiben. Wir haben dafür z.B. auch die Einrichtung des Film-Fernseh-Fonds für die Fernsehproduktions- und Filmförderung unterstützt, haben das also abgefangen, indem wir es selbst gemacht haben, sodass sich jeder gefragt hat, warum sollen wir denen was wegnehmen, die machen doch lauter vernünftige Sachen. 

Sie hatten da ein bisschen die Hand drauf… 

Ja. Die Finanzausstattung für die BLM war schon sehr gut, sonst hätten wir das alles nicht machen können. Am Anfang nicht, da war es hoch riskant. Wir hatten am Anfang eine Zusage der Staatsregierung für eine Staatsbürgschaft. Wir haben ein Darlehen aufgenommen und hatten im Laufe der ersten Jahre 10 Millionen DM Schulden. Die Banken hatten uns das Geld gegeben, weil der Staat eine Bürgschaft übernommen hat. Ich habe mit meinem Verwaltungsrat, der für wirtschaftliche Angelegenheiten zuständig war, heftige Diskussionen über die Frage gehabt, warum wir nicht endlich den Weg gehen, uns einen Zuschuss vom Staat zu holen. Nachdem ich aber selbst mal in einem Haushaltsreferat eines Ministeriums tätig war und erlebt habe, was es bedeutet, wenn der Staat einen Zuschuss gibt… dann sitzt der am Tisch, dann steuert er mit. 

Aber auch die Staatsferne des Rundfunks hat das verboten. 

Genau. Die Mitglieder des Verwaltungsrats waren dann so mutig und haben mitgemacht. Staatssekretär Stoiber hat dann im Kreise der Länder die Finanzierung aus 2 Prozent der Rundfunkgebühr durchgesetzt. Bis kurz vor der Entscheidung war noch 1 Prozent in der Abstimmung. Da hätten wir unsere Schulden gar nicht so leicht zurückzahlen können. Am Abend vor der Sitzung hatten Rudolf Mühlfenzl als Präsident und ich als Geschäftsführer bei Staatssekretär Stoiber einen Termin. Wir haben ihm gesagt, dass es nur mit 2 Prozent gehen würde und wir es anders sonst nicht schaffen würden. 

Da hat sich der BR natürlich gefreut…

… und wie! (lacht)

Sie hatten dann die Finanzierung und konnten wachsen. 

Ja. Wir konnten uns Aufgaben definieren, die wir im Gesamtzusammenhang als wichtig gesehen haben. 

Sie haben schon angedeutet, dass der Medienrat, auch aufgrund der Verfassung, eine starke Stellung hatte. Die Verfassung hat ja aufgegeben, dass die gesellschaftlichen Gruppen stark vertreten sind. Wie war die Zusammenarbeit über die vielen Jahre? 

Die Zusammenarbeit, das kann ich wirklich sagen, war hervorragend. Der Medienrat hat mich in einer Weise immer wieder gewählt und mir vertraut. Wenn das nicht gewesen wäre, dann wäre vieles gar nicht gelungen. Ich hatte ja Wahlergebnisse mit einer oder zwei Gegenstimmen oder Enthaltungen. 

Wie viele Teilnehmer sind im Medienrat?

Das schwankte zwischen 47, 48 und 50, je nachdem, wie viele Parteien im Landtag vertreten sind. Das war immer eine unglaubliche Zustimmung. 

Aber die Parteien im Landtag sind nur bis zu einem gewissen…

In der Bayerischen Verfassung, auch in dem Artikel 111a, steht, dass der Staat, der Landtag und der Senat (damals noch) für den Medienrat nur bis zu einem Drittel der Vertreter entsenden können. Zwei Drittel müssen gesellschaftlich relevante Gruppen sein.

Das ist ja auch schon beachtlich. Bei den Rundfunkräten der Öffentlich-Rechtlichen kam diese Vorgabe ja viel später. 

Ja, aber das galt für Bayern schon immer. Das galt auch für den BR. 

… aufgrund dieser Verfassung?

Seit den 70er Jahren war das in der Verfassung. Das gab es das schon. Das ZDF-Urteil aus dem Jahr 2014, das weitere Beschränkungen des staatlichen Einflusses mit sich gebracht hat, hat bei den anderen noch stärkere Auswirkungen gehabt als bei uns. 

Die Medienstandortpolitik, die damals in den Anfangsjahren in jedem Land geführt wurde… man wollte unbedingt bundesweite Veranstalter vor Ort ansiedeln. Wie erfolgreich waren Sie? Wie wichtig war das für Bayern und für die BLM? 

Ich habe ständig vertreten, dass wir auch die Aufgabe haben, eine erfolgreiche Standortpolitik zu machen, aber nicht um den Preis von vernachlässigter Ordnungspolitik. Wie bereits gesagt kam uns zugute, dass immer ein großes Vertrauen da war, selbst wenn man ein Unternehmen nicht gewonnen hat oder mehr wollte. Ich empfand das als Teil unserer Aufgaben und habe das auch so definiert. Dafür wird man natürlich kritisiert. Das war auch sehr erfolgreich. Wenn man – nach der Weichenstellung von damals – heute den privaten Rundfunk und seine publizistischen und wirtschaftlichen Ergebnisse vergleicht, dann hat Bayern bundesweit den allergrößten Anteil. Das ist also eine erfolgreiche Standortpolitik gewesen. 

Die Zahl der Beschäftigten im privaten Rundfunk war bei Ihrem Abschied bei fast 10.000. Das sind Zahlen, die sich sehen lassen können. 

Bayern hat an dieser Entwicklung den größten wirtschaftlichen Anteil und die größte Zahl an neugeschaffenen Arbeitsplätzen. Im Jahr 2016 gab es in Bayern 121 private Fernsehprogramme, darunter 31 regionale Programme, 190 private Web-TV-Programme. Im privaten Fernsehen waren knapp 10.000 Mitarbeiter tätig und der Gesamtertrag lag bei 6,3 Milliarden Euro. Damit erwirtschafteten Bayerns private Fernsehunternehmen rund zwei Drittel der TV-Beiträge in Deutschland.

Das ist wirklich eine sehr starke und erfolgreiche Entwicklung. In einem Zeitungsartikel habe ich gelesen, dass Ihnen der Titel „Herr der Knöpfe“ verliehen wurde, weil Sie bei jedem Start  gern dabei sein wollten.

Mit Begeisterung, das stimmt. Die habe ich aber nie allein gedrückt. Da waren immer die Landräte oder die Politik oder die Unternehmer und so… 

Das ist ja aber auch immer eine Wertschätzung dem Sender gegenüber, der an den Start geht. 

Ja. Das macht auch deutlich, dass das ein Trägerschaftsmodell ist. Man ist Träger… 

… und deshalb bin ich beim Start dabei und begleite. Kommen wir nun zu einem anderen Bereich. Sie haben ja bei viele Sendern den Startknopf gedrückt, aber nicht alle sind erfolgreich gewesen. Die Probleme, mit denen jetzt vor allem die lokalen und regionalen Anbieter zu kämpfen haben… Vielleicht können Sie dazu etwas sagen? 

Ja. Wir haben diese Entwicklung stetig begleitet, immer wieder durch intensive Kontakte mit den Unternehmen. Wir hatten uns öfter getroffen und diskutiert, auch außerhalb förmlicher Verfahren. Das war ganz wichtig. Wir haben dann verschiedene Maßnahmen ergriffen, um die wirtschaftlichen Probleme, die es gab, vor allem von Lokalradios anzugehen und nach wie vor ist das regionale Fernsehen immer noch ein Subventionsunternehmen, der Staat subventioniert inzwischen die Satellitentechnik. Wir haben verschiedene Maßnahmen ergriffen wie gemeinsame Vermarktung, die Beteiligung der kleinen Lokalen durch ein Vermarktungsmodell an der nationalen Werbung. Das hat ein Mitarbeiter von mir auf den Weg gebracht, Johannes Kors, der da besonders kreativ war. Das war ganz wichtig. 

Dann die Zusammenarbeit von Anbietern an bestimmten Stationen, das sogenannte Funkhaus-Modell, bei dem verschiedene Sender, die erst im Wettbewerb standen (da hat man gemerkt, dass das nicht so richtig geht, weil der Markt das nicht hergibt), und dann zusammen wirken durften. Das Modell zeichnet sich aus durch wirtschaftliche, und bis zu einem gewissen Grad auch programmliche Zusammenarbeit, aber mit unterschiedlichen inhaltlichen Angeboten. In Regensburg und Nürnberg sehr erfolgreich, in Augsburg mit zwei Sendern. In München haben wir das nicht gemacht, weil der Markt Konkurrenz zuläßt. Wir haben sehr genau geprüft, wo es notwendig ist. Das waren also Maßnahmen, um die wirtschaftliche Stabilisierung herzustellen. Die haben sich grundsätzlich bewährt. Für das Lokale war unser Teilnehmerentgelt schon eine wesentliche Grundlage. Mit Herrn Stoiber, mit Herrn Kreile, der war damals Aufsichtsratsvorsitzender der MPK, mit Herrn Müller aus der BLM und mir haben wir bei Schwarz-Schilling einen Termin gehabt. Letztlich haben wir mit allen Methoden, die man da so auf der politischen Ebene braucht, erreicht, dass die Deutsche Bundespost mit der Gebührenerhebung für die Netze gleichzeitig ein Bayerisches Teilnehmerentgelt einkassiert hat. Am Anfang waren das im Einzelfall mehrere DM. Jeder Haushalt hat die Gebühr an die Post und ein Teilnehmerentgelt bezahlt. Dieses Entgelt haben wir eingesetzt, um lokale und regionale Strukturen und auch die Organisation, von der ich schon gesprochen habe, zu finanzieren. Leider hat die Politik gegen erbitterte Widerstände meinerseits im Landtag viele Jahre später dieses Teilnehmerentgelt abgeschafft. Das gibt es jetzt nicht mehr. Nach wie vor gibt es aber das Problem, dass sich die lokalen Fernsehsender nicht ohne Subventionen im Markt halten können. Deswegen haben wir immer die Diskussion geführt, einen Teil der Rundfunkgebühr dafür zu nutzen. Lokales Fernsehen ist Grundversorgung. Das ist ein Angebot, das der Markt nicht hergibt, also muss aus den Gebührenmitteln geschöpft werden. Was wir bis jetzt nicht durchgesetzt haben, außer diesen 2 Prozent Der Staat zahlt jetzt die Satellitenübertragungstechnik für die lokalen und privaten Fernsehstationen aus dem Staatshaushalt. 

Kommen wir nun zu einem anderen Bereich. Nach Beendigung des Bayerischen Entwicklungs- und Erprobungsgesetzes wurde das Bayerische Mediengesetz etabliert. Mit der Novellierung 1996 wurden die Aufgaben der BLM im Bereich Medienerziehung erweitert. Beispielsweise hat schon damals die BLM die Elternhandreichung „Flimmo“ herausgegeben, die bis heute sehr erfolgreich ist. Insgesamt war der Bereich Medienerziehung, die Stärkung der Medienkompetenz  für  Sie ein wichtiges Thema. 

Ja. Wenn man fragt, was Medienpädagogik eigentlich macht, welche Idee steckt dahinter. Es gibt ja welche, die sagen, dass wir nur Medienpädagogik brauchen und dann den Jugendschutz abschaffen können. Wir waren aber immer der Auffassung, vor allem Frau Verena Weigand, die das initiiert und die Ideen entwickelt hat und eine ganz wichtige Mitarbeiterin der BLM war. Ich habe das immer unterstützt, brauchte aber natürlich immer die Fachleute dazu. Ich habe das ja nicht gelernt. Die Idee war, dass wir den Jugendschutz für sehr wichtig halten und dass wir gleichzeitig auch die Medienkompetenz einsetzen, um einen kritischen und kompetenten Umgang mit Medien zu verschaffen, um negative oder problematische Einflüsse zu relativieren. Das ist auch eine Idee der ganzen Medienpädagogik. Wir haben dann eine Stiftung gegründet, die Stiftung Medienpädagogik Bayern, die heute sehr erfolgreich mit dem Staat zusammenwirkt- und arbeitet. Das war der nächste Schritt. Frau Weigand hat das sehr stark unterstützt. Die Staatsregierung stand dem zunächst sehr kritisch gegenüber. Ich weiß heute noch, dass es da eine ganz kritische Grundsatzsitzung gab, in der die Staatskanzlei gesagt hat, dass wir das nicht machen können. Ich erinnere mich, dass es das einzige Mal war, bei dem wir etwas gemacht haben, obwohl die Staatskanzlei erst die Auffassung vertreten hatte, dass wir das nicht dürfen weil Medienpädagogik nicht zu unseren Aufgaben gehöre und wir deshalb dafür kein Geld einsetzen dürften. Unser Argument, das wir formuliert haben, lautete: „Was sagen Sie dazu, dass das im Rundfunk federführende Land Rheinland-Pfalz in seiner Landesmedienanstalt erhebliche Mittel für Medienpädagogik ausgibt? Ist das auch rechtswidrig?“. Der damalige Chef der Staatskanzlei, Herr Sinner, hat dann dazu festgestellt, dass wir das machen sollen. Heute ist die Stiftung Medienpädagogik ein Lieblingskind der bayerischen Politik, ein ganz wesentlicher Beitrag in Schulen und ist vielfältig tätig und wird sehr anerkannt. Wenn wir damals ängstlich gewesen wären, was wir nie waren, hätten wir unter dem politischen Druck aufgeben müssen. Haben wir aber nicht gemacht. Wir haben erfolgreich gekämpft.  

Nun zum Punkt Bürgermedien. In vielen Ländern gibt es den Offenen Kanal, auch in veränderter Form inzwischen, und nicht-kommerzielle Radios, auch in Bayern mit Radio Z und Radio LORA. Warum haben diese Offenen Kanäle und co. in Bayern keine Chance gehabt?

Das war damals, zu Beginn der Entwicklung, in vielen Versammlungen eine heftige Diskussion. Da gab es starke Forderungen für die Einrichtung „Offener Kanäle“. Ich habe gefragt, wie wir das auf die Reihe bekommen wollen: „Wir haben einen Artikel 111a in der Bayerischen Verfassung und ihr wollt Offene Kanäle machen – das passt nicht zusammen!“. Auch juristisch wäre das nicht gegangen. Der Offene Kanal lebt ja davon, dass er offen ist und dass es keinen rundfunkrechtlichen Träger gibt. Das war ein Argument. Das zweite Argument war für mich persönlich das Entscheidende. Ich habe von den Offenen Kanälen nie was gehalten, das gebe ich zu. Ich habe viel davon gehalten, dass man Geld in einen Aus -und Fortbildungskanal steckt, eine Zweckbestimmung einführt und Spielregeln entwickelt. Das haben wir dann in Form des „Aus -und Fortbildungskanals“ – AfK gemacht. Aber ich habe überhaupt nichts von diesen Offenen Kanälen mit dem Prinzip der „Warteschlange“ gehalten. Der Kollege Christian Schurig in Baden-Württemberg, der frühere Direktor, war ja da immer ein glühender Befürworter dieser Offenen Kanäle, ich nicht!

Die Offenen Kanäle haben sich alle auch verändert…

Eben. Wir haben es, Gott sei Dank! nicht gemacht. Ich habe das – etwas hart formuliert – eher für eine psychiatrische Einrichtung gehalten.

Sie haben also von den Offenen Kanälen keine gute Meinung. Es hat ja aber auch noch diesen formalen Aspekt.

Ja. Das war schon ein wichtiges Argument, zu sagen, dass wir nicht auf der einen Seite ein Trägerschaftsmodell mit neuen Strukturen praktizieren können und gleichzeitig auf der anderen Seite einen offenen und unkontrollierten Zugang für jedermann zu den Medien einrichten. 

Mit der Änderung des §29 im Rundfunkstaatsvertrag 1995 konnten die nicht-kommerziellen Projekte von den Landesmedienanstalten gefördert werden. 

Wobei es bei uns im Staatsvertrag schon immer eine Bestimmung, die wieder mit der bayerischen Verfassungslage zusammenhängt, gab. Ganz hinten gibt es eine Übergangsbestimmung, in der steht, dass Bayern die 2 Prozent im Sinne des Trägerschaftsmodells auch anders einsetzen konnte. Für uns gab es diese Grenze nicht. 

Das heißt, dass der Start der AfK in dem Zeitraum stattgefunden hat, war mehr oder weniger Zufall?

Ja, gut. Es ist oft so, wenn bundesweit bestimmte Entwicklungen laufen, dass man auch inspiriert wird. Aber den AfK haben wir schon 1995… ja, stimmt. 

Das ist mir aufgefallen, hat aber einen anderen Kontext. Natürlich, die medienpraktischen und- pädagogischen Projekte hatten zu der Zeit Hochkonjunktur. 

Genau. Zu Radio Z und Radio LORA wollte ich noch kurz etwas sagen. Die finanzieren sich zwar anders als die werbefinanzierten Lokalprogramme, haben aber natürlich genauso eine Lizenz. Insofern sind das keine freien, unregulierten  Bürgermedien. Die hatten eine Lizenz. Bei Radio Z gab es auch hin und wieder mal programminhaltliche Diskussionen, weil der eine oder andere Politiker sich manchmal beleidigt fühlte. Ich habe für Radio Z gekämpft. Auch mein Vorgänger Mühlfenzl war der Meinung, Radio Z zulassen zu können. Die kann man ruhig politisch als links bezeichnen, aber egal, das gehört zur Vielfalt!

Die nichtkommerziellen Lokalradios (NKL)in Baden-Württemberg haben ja auch ihre eigene Lizenz

Völlig richtig. Dass man so was macht, ist ja heute in Zeiten des Internets sowieso längst überholt. Aber das war damals nicht so ohne. 

Nicht unbedingt, weil sie auch soziale Plattformen anbieten, auf denen persönlicher Austausch und Integration stattfinden kann. Die sind also durch das Internet nicht überflüssig geworden, meiner Meinung nach.                                                                                            Jetzt der Bereich Aus – und Fortbildung. Da sind Sie ja sehr bald eingestiegen. 1990 haben Sie das Fachstudium Medienmarketing an der Bayerischen Akademie für Werbung und Marketing (BRW) mit auf den Weg gebracht und geleitet. Seit 2002 sind Sie zum Vizepräsidenten eben jener Akademie ernannt worden. Vizepräsident sind Sie seit 1993 an der Bayerischen Akademie für Fernsehen in München, und das ist noch nicht vollständig.

Kurz eine kleine Korrektur: Die BRW gibt es nicht mehr, die ist leider in die Insolvenz gegangen. Die privaten Akademien haben es heutzutage sehr schwer. Es gab sie aber sehr lange und ich war dort 20-25 Jahre im Medienmarketing tätig. Das hatte seine Ursache darin, dass wir auf diese Weise Mitarbeiter der lokalen und regionalen Unternehmen/Sender fit für Marketing gemacht haben. Das war die Grundidee, deswegen haben wir uns da engagiert. Ich habe mich deswegen auch persönlich engagiert, um solche Angebote hinzukriegen. Das war dann immer samstags. Wir hatten eine ziemlich heftige Diskussion mit dem damaligen Direktor der Akademie, der nicht verstanden hat oder es nicht verstehen wollte, dass Medien was anderes sind als jedes andere Projekt. Wir haben dann dieses Medienmarketing konzipiert, gemeinsam mit dem Akademiedirektor, Hans Dieter Maier, den ich übrigens heute noch treffe. Ich war dann Vizepräsident, richtig. 

Ich bin in der Bayerischen Akademie für Fernsehen (BAF) von Anfang an Vizepräsident gewesen, das stimmt. Dann bin ich einige Zeit, zwei Jahre her, Präsident geworden, weil der gewählte Präsident krank geworden ist. Jetzt habe ich, auf meine alten Tage hin, für begrenzte Zeit die Präsidentschaft übernommen und habe das jetzt im März an einen interessanten Nachfolger und einen interessanten Vorstand übergeben, der gut zusammengesetzt ist und der gut bei den Mitgliedern ankommt. Nun bin ich Ehrenpräsident.

Im Grunde genommen ist das die Unterstützung der lokalen und regionalen Rundfunkanbieter, damit sie auch in dem Bereich Vermarktung fit werden.

Das war die BAW und bei der BAF,die einen Ausbildungsbeitrag leistet zu den Erfordernissen von kleinen oder großen Fernsehsendern, Produktion und was da alles dazugehört. Das war eine praxisnahe Ausbildung für ein knappes Jahr. Jetzt geht der Weg sogar dahin, dass man diese Ausbildung bei der BAF auch auf den Bachelor an der Uni zum Beispiel anrechnen kann. Das versuchen wir gerade. Mein Nachfolger, Erwin Huber, ist unglaublich durchsetzungsstark. Kaum war er aus dem Bayerischen Landtag ausgeschieden, habe ich ihn gefragt, ob er nicht Präsident werden will. Das macht er jetzt mit Leidenschaft. Im Vorstand sind mit ihm Herr Niederhoff, ein erfahrener Praktiker, der bei ProSieben in herausgehobener Funktion tätig ist und ein engagierter und kundiger Schatzmeister, der ehemalige Geschäftsführer der Münchner Medientag GmBH, Herr Tusch.

Die Aktivitäten, um das noch mal zu sagen, liefen immer parallel zu den Problemlagen, die wir in der praktischen Lizenzpolitik erlebt haben. Wenn Marketing fehlte, wussten wir, dass die kein Geld für Marketingleute ausgegeben haben, wussten aber, dass man so was nur erfolgreich machen kann, wenn mann ein professionelles Marketing macht. Also haben wir ein professionelles Marketingangebot für die Sender in der BAW etabliert. In der Aufbauphase des privaten Fernsehens waren die Dienstleistungen für Fernsehproduktionen im Markt so knapp, dass die Kosten oft zu hoch waren, um Teams erfolgreich zu beauftragen. Wir waren dann der Überzeugung, dass mehr Angebote auf dem Markt sein müssen. Das war die Ausgangslage. Und dann haben wir die Gründung der Fernsehakademie mit anderen zusammen auf den Weg gebracht. 

Und im journalistischen Bereich?

Im journalistischen Bereich haben wir uns auch engagiert. Wir haben die Deutsche Journalistenschule finanziell unterstützt und die BLM ist auch Mitglied. Dann habe ich mich bei der Akademie der Bayerischen Presse engagiert, die wir auch geförderthaben. Wir waren da also durchaus aktiv. Bei der BAF (Bayerische Akademie für Fernsehen) war mein persönlicher Einsatz besonders stark als Vizepräsident, kurzzeitig Präsident und nunmehr Ehrenpräsident. Jetzt werde ich als Ehrenpräsident immer zu den Gremiumssitzungen eingeladen und gehe auch immer hin. 

Das sind ja die Früchte…

Ich werde immer noch gefragt und beteilige mich gerne an den Diskussionen. Das macht mir auch Spaß. 

Im Bereich Öffentlichkeitsarbeit hat die BML, wie ich finde, schon sehr früh wichtige und beispielgebende Impulse gesetzt. Wenn wir heute sehen, was die Münchner Medientage sind, und die schon 1988 angefangen haben. Sie sind sehr früh an die Öffentlichkeit gegangen. 

1987 waren die ersten Münchner Medientage, der Rundfunkkongress der BLM 1988, aber die Medientage haben wir natürlich immer mit unterstützt, bereits 1987. Später haben wir die Medientage als alleiniger Gesellschafter übernommen. Aus dem Rundfunkkongress wurden die Lokalrundfunktage in Nürnberg.

Was hat uns damals bewogen, so früh an die Öffentlichkeit zu gehen…? Das ist die Überzeugung, dass wir in die Öffentlichkeit mit den Fragestellungen und Problemlagen gehen müssen, die das duale System insgesamt aufwirft. Und dass wir dazu eine qualifizierte Diskussion brauchen und keine vordergründigen Schnellschüsse aus dem Bauch heraus, die wir auch immer wieder erlebt haben. Dazu dienen solche Kongresse. Das war die Überzeugung…

… das ist auch ein Teil der Legitimationsarbeit… 

Ja. Praxisnahe Debatten, natürlich auch standortpolitische Effekte, die damit verbunden waren. Der Medienstandort Bayern und München wurde demonstrativ sichtbar, auch international sichtbar. Das hatte einen hohen Effekt und das waren hochkarätige Diskussionen. 

Sie haben hier auch Kontinuität bewahrt. Es gab ja viele Landesmedienanstalten, die irgendwelche Medientage etabliert haben und die dann nach wenigen Jahren wieder weg waren. 

Die Medientage haben mehr die großen Themen der Fernsehsender und die Konflikte im dualen System und viele Veranstaltungen unterschiedlicher Art dargestellt. Für die lokalen und regionalen Themen gab es den Kongress in Nürnberg, der sehr erfolgreich war und nach wie vor ist, und inzwischen auch international anerkannt ist. Ich gehe da immer noch hin und freue mich, dass das so gut läuft.

Kommen wir zum Bereich Technik. Das haben wir vorhin in Form der beiden Gründungsmitglieder, die aus dem technischen Bereich kommen, schon angeschnitten. Technik und technische Entwicklungen treiben immer an. Wo waren aus Ihrer Sicht die größeren Herausforderungen? Heute sind wir ja bei der Regulierung von Plattformen.

Die größte Herausforderung war zum Beispiel beim Aufbau von lokalen UKW-Sendern die Herstellung von Reichweite, weil der BR in umfangreicher Weise über Frequenzen verfügte und weitere beanspruchte. Es gab große Konflikte. Die schärfste Auseinandersetzung, die ich erlebt habe, war eine Besprechung mit dem BR, bei der es um die UKW-Frequenzen für die Privaten ging. Das war unglaublich. Insbesondere mit dem Rundfunkratsvorsitzenden gab es einen Konflikt. Der BR hat versucht, für seine Reichweitenverbesserung Frequenzen zu bekommen und hatte offensichtlich schon damals vor, ein fünftes UKW-Programm aufzubauen, hat es aber immer bestritten. Deswegen hat er Frequenzen gehortet. Es gibt heftige Schriftwechsel mit dem Intendanten Vöth noch ganz am Anfang, 1985, als ich noch Beauftragter der BLM war. Da bestreitet er das massiv, dass er ein fünftes Programm aufbauen wolle. Genau das ist aber später gekommen. Der Medienrat hat sich sehr kritisch mit dem BR auseinandergesetzt. Das war die eine Herausforderung. Die zweite war die Frage, was die Post im Hinblick auf terrestrische Fernsehfrequenzen, also nicht nur den Ausbau über Kabel, macht. Das war nicht so ohne, was die Technik anbetrifft. Dann DAB…

Die Post war ja damals noch ein Monopol…

… ja. Es gab überall so kleine Kabelinseln, aber die große Reichweite war bei der Post. Es war ja auch die Frage, nach welchen Kriterien verbreitet wird. Das Teilnehmerentgelt spielt da zum Beispiel mit rein. Wenn ich mir vorstelle, dass bei Schwarz-Schilling damals ein Gutachten vorgelegt worden ist: Wenn in Bayern das Teilnehmerentgelt durchgesetzt wird, dann wird die Reichweite dramatisch einbrechen, weil die Leute das nicht bezahlen wollen. Das war völlig falsch. Bayern hatte die höchste Reichweite, trotz Teilnehmerentgelt. Das waren so Herausforderungen in der Struktur und in der Bewältigung der technischen Grundlagen. Und wie gesagt DAB, weil sehr früh klar war, dass wir eine digitale terrestrische Technik brauchen und die vorhandenen Anbieter die Konkurrenz fürchteten. Das war immer das gleiche. Sie können das wie einen roten Faden zurückverfolgen. Die Gegnerschaft gegen DAB, die viele Argumente hervorgebracht hat, warum alles dagegenspricht und die Alternativen diskutiert hat, die bloß das Ziel hatten, die Entwicklung von DAB zu erschweren. Das können Sie alles nachvollziehen, indem Ihnen bewußt wird, das viele Hörfunkunternehmen keine Technik wollten, die Konkurrenz bedeutet. Die UKW-Technik war gut etabliert, besonders auch in Nordrhein-Westfalen und anderen Ländern. Da gab es in einigen Ländern ja nicht mal lokale Sender, weil vor allem die Zeitungsverleger dafür gesorgt hatten, dass es ja kein lokales Konzept geben darf, so zum Beispiel in Hessen. Diese Einflüsse sind nach wie vor bei DAB gegeben. Nur die Realitäten haben inzwischen diese Diskussion überholt. Heute wird kein Mensch mehr DAB abschalten können, da ist die Reichweite viel zu hoch. Wir haben das konsequent gemacht. Ich bin wirklich in vielen Dingen beschimpft worden, aber am meisten für die Unterstützung von DAB. Der niedersächsische Kollege, Herr Albert, hat in öffentlichen Sitzungen gesagt, wenn es Probleme mit dem Aufbau von DAB gab: „Wieder ein Sargnagel mehr für DAB, Herr Ring!“ Das war massiv. Und sie sehen ja, das ist in Niedersachsen bis heute noch so. Vor kurzem gab es noch mal einen Beschluss gegen DAB, von der FDP im niedersächsischen Landtag initiiert. Das hat alles damit zu tun. Wenn sie jetzt den VPRT, jetzt VAUNET nehmen: Die Besitzenden wollten, wie damals der BR, keine Technik unterstützen, die mehr Wettbewerb zulässt.   

In Baden-Württemberg haben wir natürlich DAB. Ich glaube nicht, dass man da die Uhr noch mal zurückdrehen kann. 

Nein, das geht nicht mehr. Das haben wir Gott sei Dank durchgesetzt. 

Sie haben jetzt auf Niedersachsen und Hessen verwiesen. Bei der Zusammenarbeit unter den Landesmedienanstalten bildeten sich übergreifende Strukturen in Form von Arbeitskreisen oder Direktorenkonferenzen aus und Sie waren von Beginn an dabei. 

Ja. Ich war der Meinung, dass wir zusammenarbeiten müssen, übrigens wie der Kollege Hege, Direktor der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) auch, der war ebenfalls ganz am Anfang dabei. Wir mussten uns ja auch abstimmen, weil wir sonst zu schwach gewesen wären. Wenn die Länder die Landesmedienanstalten gegenseitig ausspielen, dann könnten wir uns in Grundsatzfragen nicht durchsetzen. Das war die Überzeugung. Die Kollegen wollten auch, dass ich das mache. Sie haben mich damals zum Vorsitzender der Direktorenkonferenz gewählt und zum Vorsitzenden des Arbeitskreises Rechts- und Grundsatzangelegenheiten. 

Waren Sie beides?

Ja. Arbeitskreis plus Vorsitzender. 

Dann haben Sie auch noch die Technische Kommission der Landesmedienanstalten (TKLM ) geleitet. 

Da war die andere Überzeugung, die ich schon mehrfach hier gesagt habe: Ohne Kenntnis  der Technik und die Diskussion über technische Strukturen kann man keine Medienpolitik machen. 

Das einigt Sie auch mit Herrn Hege, der ist ja auch sehr tief in die technischen Thematiken eingetaucht. 

Ja. Wir waren uns beide in dieser Frage immer völlig einig. Das war von Anfang an meine Überzeugung. Deswegen habe ich diesen Vorsitz übernommen. Natürlich ging das nur, weil ich meinen Mitarbeiter Herrn Müller hatte, ein ausgewiesener Experte. Ich habe eigentlich nur die Ergebnisse verstanden und wo der Weg hingehen soll. Als Vorsitzender habe ich das begleitet und natürlich auch viel gelernt. Der eigentliche Sachverstand lag bei Herrn Müller und anderen Mitgliedern der Kommission. 

Es gibt ja bei der BLM einen richtigen Generationenwechsel. 

Ja, die frühen Mitarbeiter scheiden demnächst aus. 

Sie haben sich später dann geradezu mit Leidenschaft dem Jugendmedienschutz gewidmet. Zunächst waren Sie da noch gar nicht federführend, sondern haben die bereits dargelegten Posten begleitet. Dann aber haben Sie ab 1999 den Arbeitskreis

…„Gemeinsame Stelle Jugendschutz“…

…Programm, Medienkompetenz und Bürgermedien der  Landesmedienanstalten geleitet. Dann gab es eine Änderung im Staatsvertrag über den Jugendschutz. Und ab 2003 hatten Sie den Vorsitz der Kommission für Jugendschutz (KJM). Dies Kommission war ja anders besetzt, hatte andere Funktionen. Das Internet war auf dem Plan, somit hatte sich der Jugendschutz ganz anderen Herausforderungen zu stellen. 

Das war extrem schwierig, insbesondere die Strukturen des Internets zu erfassen und die Möglichkeiten einer jugendschutzorientierten Steuerung. Zum Beispiel die Fragen, wie Jugendschutzprogramme oder technische Mittel und ähnliches mehr für den Jugendschutz wirken. Bei der KJM hatten wir immer einen Sachverständigen, den wir ständig zu diesen Fragen gehört haben. Der Vorteil der KJM war, dass wichtige Bereiche wie zum Beispiel die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, deren Leiterin in der KJM war, auch über die Landesmedienanstalten hinaus mitwirkten. Die obersten Landesjugendbehörden waren mit einer Vertreterin vertreten. Dann noch… Da muss ich mal kurz überlegen…

… die Bundeszentrale für politische Bildung?

Ja genau. Herr Thomas Krüger war sehr hilfreich, weil er auch eine breite gesellschaftspolitische Position eingebracht hat. Wir haben, so glaube ich, durchaus erfolgreich gekämpft und gearbeitet und uns zusammengerauft. Das war eine richtig tolle Aufgabe, aber auch sehr herausfordernd. Das war eine der schwierigsten Aufgaben, die ich je gemacht habe. Vor allem dieser Mechanismus, wie weit Selbstregulierung geht und wie weit Aufsicht gehen muss. Wie weit kann man sich auf Selbstregulierungseinrichtungen verlassen? Da hat der Gesetzgeber was Kluges im Staatsvertrag geregelt, finde ich. Da hat er ganz bestimmte Anforderungen an die Selbstregulierung formuliert, zum Beispiel unabhängige Prüfer, die Herauslösung der Entscheidungsstrukturen aus den Unternehmen etc. Das war also ganz wichtig. Da aber den richtigen Mittelweg zu finden, das war auch schwierig. Das war auch ein neues Modell, das ich europaweit vertreten habe. Dafür gab es viel Kritik, was denn ‚regulierte Selbstregulierung‘ heißen soll, haben z.B. die Engländer gefragt. Entweder gibt es „Regulierung“ oder „Selbstregulierung“ – „regulierte Selbstregulierung“, was ist das für ein Blödsinn.  Das haben wir dann eher als Ko-Regulierung bezeichnet. Es waren also lauter neue Fragen, die uns ziemlich gefordert haben. Ich habe das sehr gerne gemacht. Wir hatten großes Vertrauen zueinander. Die haben mir zum Abschied ein auf mich bezogenes Schriftstück produziert, davon träume ich noch, so anerkennend und nett war dies (lacht).

Wir machen jetzt einen Sprung. Am 30.11.1991 fand die erste gemeinsame Direktorenkonferenz mit Vertretern der neuen Bundesländer statt. Hat die BLM bei der Aufbauleistung in irgendeinem Bundesland Unterstützung geleistet? Wie verlief denn am Anfang diese Zusammenarbeit mit den neuen Bundesländern? 

Unseren Justiziar, Dr. Neupert, habe ich zunächst mal an Sachsen ausgeliehen. Er war in der sächsischen Staatskanzlei als Referent tätig. Mit all den Erfahrungen, die er bei uns gemacht hat, hat er dort das Mediengesetz mit entwickelt und damit die medienrechtlichen Grundlagen geschaffen. Er ist dann sogar in Sachsen geblieben. Das war ein großer Beitrag für die Entwicklung in Sachsen. Ich bin öfter mal in Landtagen angehört worden. Im sächsischen Landtag bin ich stark angeeckt, weil ich den Gesetzentwurf mit dem Modell eines ehrenamtlichen Präsidenten, der die Verantwortung hat, was nach wie vor ein Problem  ist, kritisiert habe. Ich habe deutlich vorgetragen, dass bei den Aufgaben, die auf Landesmedienanstalten zukommen, ein ehrenamtlicher Präsident, der dann alle Befugnisse eines hauptamtlichen Präsidenten hat, ein falsches Modell ist. Aber da hätten sie mich bald rausgeschmissen, weil die Politik das so wollte. Sächsische Abgeordnete haben sich dann bei der Bayerischen Staatskanzlei über mich beschwert und gesagt, der Ring, was ist das für einer, der vertritt ja Positionen, die uns, die CDU, ärgern. Die Staatskanzlei meinte dann, dass er halt seine Meinung dezidiert vertritt, das weiß ich noch ganz genau. Das Problem dieser Struktur hat sich natürlich auch in der Zusammenarbeit gelegentlich dargestellt. Die sächsische Landesmedienanstalt hat das dann in der Praxis ganz gut gelöst, weil dann beide immer da waren, sowohl der hauptamtliche Geschäftsführer als auch der ehrenamtlicher Präsident. Die Zusammenarbeit war aber deswegen schwierig, weil wir langjährige Erfahrung hatten und dann doch Personen dort die Direktorenämter übernommen haben, die diese Erfahrung nicht hatten, die anders geprägt waren. Das ist etwas, was…

… mit Ausnahme von Sachsen-Anhalt… 

Genau. Da war der Herr… 

… Schurig…  

Genau, der Herr Schurig war ein Gewinn. Bei ihm konnte man sich auf vertrautem Gelände bewegen, der kannte sich aus. Es war also nicht so einfach, aber ich glaube, es ist uns ganz gut gelungen. Wir haben bei den Entscheidungen der Landesmedienanstalten die neuen Landesmedienanstalten ganz gut integriert. 

Es gibt ja auch diese Konstellation, dass Brandenburg-Berlin zusammengegangen ist. Dort gab es dann die mabb. Da war auch wieder eine vertraute Person, Herr Hege hat beide vertreten.

Ja. Insgesamt ist das, nach einigen Anlaufschwierigkeiten, durchaus gelungen. 

Kommen wir zu Ihrer persönlichen Bilanz. Wenn man die Ergebnisse Ihrer Arbeit Revue passieren lässt, dazu zählt u.a. der Aufbau eines erfolgreichen privat-rechtlichen Rundfunks in Bayern, auch einer großen und gut funktionierenden Landesmedienanstalt, Aufbau von Aus- und Fortbildungseinrichtungen für den journalistischen Nachwuchs sowie für den Bereich Marketing und ihr unermüdlicher Einsatz für den Jugendschutz. Man muss anerkennen, dass Sie dafür zurecht mit den höchsten Auszeichnungen geehrt wurden: mit dem Bayerischen Verdienstorden, Goldene Feder, dem Verdienstkreuz 1.Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, dem Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich und der Bayerischen Verfassungsmedaille in Silber. 

Vielen Dank für diese Bewertung. Das haben nicht alle immer so gesehen, aber ich freue mich, dass Sie das so sehen. 

Vor diesem Hintergrund muss es Sie doch persönlich sehr getroffen haben, dass Sie gegen Ende ihrer Präsidentschaft, vor allem auch mit zwei Themen, bundesweit ins Kreuzfeuer geraten sind. Ich spreche hier die sogenannte ‚Kopka-Affäre‘ an. Vielleicht können Sie die ein bisschen erläutern und dann auf ihr Gehalt, das zum Schluss zum Thema wurde, eingehen. Wie bewerten Sie diese Vorfälle aus heutiger Sicht?  

Ich war in der Kopka-Affäre nicht nur ziemlich getroffen, sondern ich war ganz hart getroffen. Das hat mich voll erwischt. Ich will noch mal den Sachverhalt genau schildern, wie er sich jetzt auch nach den Erklärungen, die wir damals abgegeben haben, richtig darstellt. 2003 nimmt Klaus Kopka, Vorsitzender des Medienrats, ein Darlehen von einem Anbieter mit Namen  Ralph Burkei. 2009 wird dieser Vorfall dann bekannt. Warum? Weil Burkei in Indien ums Leben gekommen ist und man in seinem Nachlass Darlehensverträge mit Kopka gefunden hat, die dann in die Öffentlichkeit geraten sind. Diese Situation hat mich deswegen so geschlaucht und so betroffen gemacht, weil ich dafür verantwortlich gemacht wurde, dass ich das der Öffentlichkeit nicht mitgeteilt habe. Ich hätte das 2009, so war die Vorstellung, der Öffentlichkeit mitteilen müssen. 

2003…

2003 habe ich das ja gar nicht gewusst. 

In der Presse ist das aber…

Doch, Moment, damit ich das nicht verwechsle. Ich habe mir das nämlich noch mal angesehen. Ja, richtig. 2003 war das mir, dem stellvertretenden Medienratsvorsitzenden, Herrn Dr. Jooß, der inzwischen verstorben ist, und dem Vorsitzenden des Verwaltungsrats, Herrn Nüssel, der gerade ausgeschieden ist, bekannt geworden. Wir haben dann überlegt, wie wir damit umgehen. Wir haben geprüft, was das eigentlich für einen Einfluss auf die Entscheidungspraxis hatte, das war ja auch ein wichtiger Punkt. Der Einfluss war gleich Null. Herr Kopka hatte durch das Darlehen keinerlei Einfluss auf die Entscheidung der Verlängerung der Lizenz von Burkei. Herr Kopka war bei der entscheidenden Grundsatzausschusssitzung gar nicht dabei und hat auch sonst keinen Einfluss genommen. Der hätte auch gar keine Chance gehabt, Einfluss zu nehmen. Das waren Vorlagen der BLM und die Gremien haben das nach sachlichen Kriterien beraten. Ein Einzelner kann vielleicht ein bisschen auf die Diskussion Einfluss nehmen, aber nicht auf so einen Entscheidungsprozess. Dann war die Frage, wie wir damit umgehen. Wir haben dann alle drei beschlossen, dass wir nicht in die Öffentlichkeit gehen. Und zwar auch deshalb, weil wir der Meinung waren, Herr Kopka könne nicht mehr zum Medienvorsitzenden des Medienrats gewählt werden, die Wahl stand bevor… Das habe ich dann persönlich übernommen, was mir bis heute von Herrn Kopka noch nachgetragen wird. Ich habe Herrn Kopka dann gesagt, dass er sich nicht mehr zur Wiederwahl im Medienrat stellen kann. Das ist der Preis dafür, dass wir nicht in die Öffentlichkeit gehen. Das war kurz vorm Auslaufen seiner Amtszeit. Ich habe gesagt, wenn er sich nicht wieder wählen lassen will, dass dies in unserem Kreis bleibt, und wenn doch, ich mich gezwungen sehen würde, den Medienrat über sein Verhalten zu informieren. Das macht einen natürlich unglaublich beliebt. Letztlich hat er das dann geschluckt und akzeptiert. Und dann kam das 2009 an die Öffentlichkeit und ich wurde persönlich zur Verantwortung gezogen und im Kulturpolitischen Ausschuss des Bayerischen Landtages massivst kritisiert. Unglaublich, wie ich beschimpft wurde und immer wieder die Frage, warum ich das nicht der Öffentlichkeit mitgeteilt habe. Wir waren damals aber einhellig der Auffassung, das jetzt einfach zu veröffentlichen ist unangebracht, weil Herr Kopka doch ausscheidet aus dem Medienrat. Das hat auch der Medienratsvorsitzende, Dr. Jooß, so gesehen, darüber gibt es auch einen Bericht im Medienrat. 

Es gab auch die Frage, ob es nicht gegenüber der Rechtsaufsicht eine Verpflichtung gegeben hätte, über diese Darlehensannahme zu berichten. Dann hat die Rechtsaufsicht geprüft und die Auffassung vertreten, dass das Fehlverhalten eines Medienrats bei einer unabhängigen Landesmedienanstalt intern abzuwickeln ist. Die Erklärung der SPD-Landtagsfraktion, dass die Landeszentrale die Rechtsaufsicht hätte informieren müssen, verkehrt die Aussagen der Rechtsaufsicht ins Gegenteil. Das Ministerium hat nämlich das Gegenteil gesagt: „Die Rechtsaufsicht stellt ausdrücklich fest, dass es keine gesetzliche Informationspflicht über das Verhalten des früheren Medienratsvorsitzenden Klaus Kopka gegeben habe.“ Wir haben uns in der Rechtsauffassung bestätigt gesehen. Das hat aber nichts daran geändert, dass mich Politiker sehr scharf kritisiert haben, wie ich es erst einmal, ganz zu Anfang, wie ich schon erzählt habe, erlebt hatte, und danach so nie wieder. Einmal beim BR, einmal bei den Bürgerinitiativen und einmal im Landtag: „Herr Ring, treten Sie sofort zurück! Jeder Tag, den Sie länger in Bayern für Medienpolitik verantwortlich sind, ist ein Schaden für die bayerische Medienpolitik.“ Neben mir saß der Medienratsvorsitzende Dr. Jooß, Nachfolger von Herrn Kopka. Der war offensichtlich gar nicht so interessant, den haben sie gar nicht angegriffen, sondern mich. Als ob ich die Aufsicht über den Medienrat habe, was nicht stimmt. Ich habe als Präsident keine Aufsicht über das Gremium. Mich haben Politiker also massiv kritisiert. ‚Ziemlich‘ getroffen ist eigentlich harmlos formuliert. Ich habe schlaflose Nächte gehabt. Das wurde aber dann durch die Unterstützung des Medienrates – also wieder die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Medienrat – wieder in Ordnung gebracht. Ich bin auch nicht zurückgetreten, weil ich das nicht für richtig gehalten habe und weil ich auch gar keine Veranlassung gesehen habe. Die Kritik im Landtag kam von den Grünen und der SPD. Die haben sich ausgetobt, das glauben Sie gar nicht. Der SPD-Vorsitzende Markus Rinderspacher, der vorher bei einem privaten Sender tätig war, hat mich ganz besonders heftig kritisiert und Ulrike Gote von den Grünen, die dann später im Medienrat war. Mit Frau Gote hatte ich auch regelmäßig Kontroversen. Im Buch durfte sie dann aber schreiben (lacht). 

Das ist sehr klar gewesen, warum ich mich da so getroffen fühlte. Das war auch denkbar ungerecht. Ich habe übrigens auch mal einen Vertrauten in der Politik gefragt, als das mit dem Herrn Kopka lief, wie das in der Politik gehandhabt wird und ob das vergleichbar wäre. Meine Auffassung wurde bestätigt. Solange das keine höhere Relevanz habe, würde das nicht in die Öffentlichkeit getragen. Das ist vielleicht heute ein bisschen anders, weil wir inzwischen sehr transparent mit solchen Sachverhalten umgehen.

Nun zum Thema Gehalt. Die Ausgangslage, warum der Verwaltungsrat dieses Gehalt festgesetzt hat, war die Parallele zum Intendanten des BR. Man hat gesagt, das sei die zweite öffentlich-rechtliche Anstalt in Bayern…

… dualer Rundfunk…

… genau, und in Bayern die besondere Rechtsstellung der BLM mit Grundrechtseigenschaft und weitreichender Verantwortung im Trägerschaftsmodell. Wir wollen uns ein Stück am BR orientieren. Das war das eine Motiv für den Verwaltungsrat. Ich habe das nicht mal intensiv betrieben, sondern die Mitglieder wollten das auch. Dabei spielte auch die Sorge mit, dass ich die Landeszentrale für Neue Medien verlasse und in den Vorstand eines Unternehmens gehen könnte. Das waren die zwei wesentliche Motive. Dieses Selbstverständnis galt ja auch für den Medienrat. Der Medienrat hatte ja, und das ist in anderen Ländern anders, genau die gleiche Aufwandsentschädigung wie der Rundfunkrat. Die gleiche Höhe, die gleiche Struktur. Das haben wir völlig parallel gemacht. Es gab ja damals politische Stimmen, die den Medienrat schwächen wollten, angeführt vom BR, wonach man nicht wollte, dass die Mitglieder des Medienrats von der BLM entlohnt werden, sondern von den Gruppierungen, die sie entsenden. Mit dem Ziel, dass da nicht so gute Leute reingehen. Das war eindeutig so. Das war die Parallele. Das ist jetzt natürlich richtig, dass das ein hohes Gehalt war. Das gilt auch für das Intendantengehalt, welches ziemlich genau das gleiche war. Dass das Kritik auslöst, das finde ich verständlich vor allem diese Struktur, die der Verwaltungsratsvorsitzende öffentlich vertreten hat, dass es nämlich um zusätzliche Tantiemen gehe. Im Grund war die Idee die, dass derjenige, der das alles aufgebaut hat für das  erfolgreiche Ergebnis „belohnt“ werden sollte. Das unternehmerische Denken im Verwaltungsrat war sehr ausgeprägt. 

Beide Vorfälle haben ja ihre Konsequenzen gehabt. Einmal hat man die Ausarbeitung eines Verhaltenskodex für Mitglieder der Organe beschlossen. Bei Ihnen hat man dann auch als Konsequenz gesagt, das im Geschäftsbericht zu veröffentlichen. 

Ja. Das kam überhaupt erst an die Öffentlichkeit, weil wir es freiwillig veröffentlicht haben. Wir haben gesagt, dass wir das jetzt auch veröffentlichen müssen. Das war damals auch bei den Intendanten üblich geworden. So wollten wir das parallel machen. Und dann gab’s diese Kritikwelle. 

Ich hätte noch eine letzte Frage. Sie haben dieses Buch hier herausgegeben und ich habe den Eindruck, das Thema Medien bestimmt immer noch Ihr Leben. Wollen Sie noch etwas zu Ihnen selbst sagen?

Ja, das stimmt auch. Nicht ganz so schwerpunktmäßig, wie wenn man das Präsidentenamt der BLM innehat, aber ich wirke noch in einigen Gremien mit, werde dorthin eingeladen. Gerade erst bin ich wieder berufen worden in die Medienkommission der CSU, da bin ich schon immer gewesen und  in die Filmkommission der CSU. Ich bin in einem Thinktank, das nennt man ja jetzt nicht mehr Beirat, das heißt ja Thinktank, des DVTM,Deutscher Verband für Telekommunikation und Medien, da sind auch zum Beispiel Herr Prof. Thoma und Herr Prof. Schneider drin, dabei ist auch der ehemalige Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Herr Clement. Das ist ein interessanter Kreis mit bundesweiter Wirkung. Da gehe ich gerne hin. Ich bin in einem Arbeitskreis des Wirtschaftsrats der CDU, Mehr privat für einen starken Staat heißt der. Der beschäftigt sich mit der Glückspielregulierung, einem unglaublichen Thema, das mich wirklich umtreibt. Ich bin bei der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft in einem Ausschuss über Wirtschaft und Medien. Und ich bin auch als Rechtsanwalt mit Beratung tätig, zeitlich sehr reduziert. Das macht mir Spaß, solange ich das Gefühl habe, dass erstens die Unternehmen einen gerne zu Rate ziehen und einem Aufträge geben und zweitens wenn ich das Gefühl habe, dass ich in den Kommissionen mit den Erfahrungen, die ich habe, etwas Sinnvolles bewirken kann. 

Vielen Dank für das Gespräch. 

Ich bedanke mich auch.

  1. Die Projektkommission sollte „die Versuchsbedingungen des Münchner Projekts erarbeiten und das Projekt beratend begleiten“ (ARD-Chronik von 1980, Online: http://web.ard.de/ard-chronik/index/2369, abgerufen am 15.9.2020).
  2. Bayerische Staatskanzlei (Hg.): Kabelpilotprojekt München. Bericht der Projektkommission. Berichterstatter: Eberhard Witte. München 1987.
  3. Vgl. zur Lizenzvergabe von Satellitenfernsehen in der Anfangszeit Hans Hege: Praxis der Lizenzvergabe – eine Zwischenbilanz. In: Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (Hg.): DLM Jahrbuch 88. München 1988, S. 27–34. Dr. Hans Hege, seit 1985 Direktor der Anstalt für Kabelkommunikation und 1992–2016 Direktor der Medienanstalt Berlin-Brandenburg, schreibt dort: „Eine Eigenart der deutschen Rundfunkentwicklung ist es, daß es eine echte Zulassung für über Fernmeldesatelliten verbreitete Programme nicht gibt. Die Veranstalter werden wie ein regionaler Veranstalter in einem Bundesland zugelassen. (…) Für die anderen Landesmedienanstalten beschränkte sich die Lizenzvergabe auf Zuteilung von (technischen Übertragungs-) Kapazitäten.“ (S. 28f.)