Medienhistorisches Forum am 7./8. November 2014 in Lutherstadt Wittenberg

Kommunikationsgeschichte auf beschwerlichen Wegen

Bahnstreik! Kein gutes Vorzeichen für das diesjährige medienhistorische Forum für Absolventen und Nachwuchswissenschaftler in Lutherstadt Wittenberg, zu dem sich Vortragende u.a. aus Strasbourg, Freiburg, Heidelberg, Hamburg und Bamberg angemeldet hatten. Doch dann wurden Sonderfahrpläne studiert und E-Mails gewechselt – zwei Vorstandsmitglieder sammelten schließlich in Berlin und Leipzig alle ein, die (gerade so) in ihre Autos passten. Und viele waren dann doch pünktlich da. Ein wunderbares Beispiel, wie der Studienkreis funktionieren kann! Mitorganisator Christian Schwarzenegger vom Nachwuchsforum der DGPuK brachte es in seiner E-Mail wohl auf den Punkt: „Letztlich gilt ja ohnedies, dass wer sich auf die Kommunikationsgeschichte als Forschungsfeld einlässt, schon beweist, dass er vor beschwerlichen Reisen und abenteuerlichen Wegen nicht zurückschreckt!“

„Opfer“ des Streiks waren leider besonders Rundfunkhistoriker wie Kristina Offterdinger (Freiburg), über deren Projekt zu „Radio Majak“ RuG aber bereits in 3/4-2013 berichtete. Der zweite rundfunkhistorisch orientierte Vortragende, Jean-Christoph Meyer, schaltete sich aus Strasbourg per Skype zu. Sein Thema: „Die Grundsteine des ‚Großen Stadions‘: Der Erfolg der Live-Übertragung der WM 1954 und seine Nachwirkungen in den Eurovisions-Mitgliedsländern (1954-1956)“. Eindeutiges Fazit: Technik kann hilfreich sein, aber die personelle Kommunikation in einem solchen Forum nicht ersetzen.

Anne-Lisa Neuenfeld promoviert in Jena zu „Kampf um die Medienmacht. Die SPD, Peter Glotz und die medienpolitischen Auseinandersetzungen in der ‚alten‘ Bundesrepublik“. (Siehe Dissertationsprojekte in diesem Heft.) Ihre Vorstellung geriet etwas unglücklich, weil sie weitgehend Bekanntes referierte und zu wenig auf ihre eigene These ein ging. Ein Verständigungsproblem, das sich in der Diskussion schnell beheben ließ, aber – wie in der Abschlussberatung deutlich wurde – nicht nur sie betraf.

Kai Steffen Knörr (Potsdam) ist noch in der Findungsphase, hatte gerade erst das Thema gewechselt. Auch wenn er sich in Details sehr kompetent zeigte: Das Projekt „Funken – eine Medienkulturgeschichte“ reicht aber wohl für zehn Dissertationen.

Die Pressegeschichte vertrat zunächst Hendrik Michael (Bamberg), der die Zeitungsreportage als kommunikative Gattung untersucht. Bianca Heuser (Leipzig) befasst sich mit Organisation und Struktur der Zeitungsbeilagen im Deutschen Kaiserreich zur Jahrhundertwende. Mit „Frühzeitliche Kriegsberichterstattung“ (Kai Lohsträter, Hamburg) und „Analyse von Heiratsanzeigen im deutschen Kaiserreich“ (Tamara Frey, Göttingen) blieb man vorerst in der „alten“ Zeit. Worüber Nachwuchswissenschaftler/innen alles forschen, bewunderten bzw. verwunderte manche im Forum dann doch etwas.

Eine ganz aktuelle Thematik wählte dagegen Anna Sawerthal (Heidelberg), die von Tibet fasziniert ist und nun ihr Projekt „Eine Zeitung für Tibet. Ansätze für eine transkulturelle Medienforschung“ engagiert bearbeitet.

Beim Abendvortrag von Helen Hahmann (Freies Radio Corax, Halle/S.) verfolgten die Zuhörer staunend, was mit Engagement bei Bürgerradios auch europaweit so möglich ist. Sie informierte über ein EU-Projekt zu Community media und Archive (http://959.radiocorax.de/index.php?option=com_content&view=article&id=11848:captcha-zeitgemaesse-archivloesungen-fuer-community-medien&catid=153:projekte&Itemid=104). Mit ihrer Einladung hatte die Medienanstalt Sachsen-Anhalt (MSA), die das Kolloquium seit vielen Jahren finanziell unterstützt, eine gute Idee.

Studienkreis-Vorsitzender Golo Föllmer hob in der Abschlussdiskussion das außergewöhnlich hohe Niveau der Vorträge hervor. Die Teilnehmer freuten sich über die gute Organisation (Tom Leonhardt, Halle) sowie die Möglichkeit, aus „ihrem Turm“ der eigenen kommunikationsgeschichtlichen Forschung heraus und mit anderen ins Gespräch zu kommen. Und wunderten sich über die (ungewohnte) Atmosphäre: „Man kann sich hier trauen, offen Probleme anzusprechen.“

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