Vom Leitmedium zum Medium light? Call for Papers zur 52. Jahrestagung am 22.+23. September 2025 in Mainz

Fernsehen und Politik in historischer Perspektive

52. Jahrestagung des Studienkreises Rundfunk und Geschichte, 22./23. September 2025 beim Zweiten Deutschen Fernsehen in Mainz

Privatrechtlich organisiertes Fernsehen sei, so Bundeskanzler Helmut Schmidt 1979 in einer Kabinettssitzung, „gefährlicher“ als die Kernenergie, da es die „Strukturen der demokratischen Gesellschaft verändern“ könne. Im Jahr der Bundestagswahl 2025 wirkt diese Diagnose antiquiert und aktuell zugleich. Einerseits scheint der alarmistische Ton unangemessen angesichts einer Medienöffentlichkeit im digitalen Zeitalter, in der die Existenz von einigen privat-rechtlichen Fernsehprogrammen beinahe nostalgisch anmutet. Anderseits kann sie aber durchaus auch als Beginn einer Entwicklung begriffen werden, die sehr wohl „Strukturen der demokratischen Gesellschaft“ angegriffen hat. Denn seitdem ist die gesellschaftsintegrierende Wirkung klassischer, non-profit-orientierter TV-Programme erodiert, und damit – folgt man Jürgen Habermas – auch die Grundlage liberaler Demokratien, für deren Meinungs- und Entscheidungsbildung es eines Diskurszusammenhangs auf der Grundlage gemeinsamer Begriffe bedarf. Eine linke Perspektive kritisierte seinerzeit dagegen diese Medienstruktur, da sie von einer herrschenden Klasse hegemonial missbraucht würde, u.a. indem sie Gegenöffentlichkeit strukturell ausschließen würde.

Die Tagung zielt auf die These vom Strukturwandel der Öffentlichkeit durch das Fernsehen. Welche Bedeutung hatte das Aufkommen des Mediums und sein rascher Aufstieg zum Leitmedium nach dem II. Weltkrieg in demokratischen und autoritären politischen Systemen für den Wandel von Politik? Wie wirkten sich strukturelle Veränderungen, z.B. neue technische Verbreitungswege und die damit in vielen Ländern verbundene Liberalisierung bzw. Vermarktlichung der Rundfunkordnung in Westeuropa aus? Welche Bedeutung hatten transnationale Effekte des Fernsehens auf die jeweiligen politischen Systeme und Kulturen? Und welche Folgen hatte das sich verändernde Medienensemble seit dem Aufkommen digitaler Umgebungen in den 1990er Jahren für Politikdarstellungen im TV? Was bedeutete dies etwa für die Glaubwürdigkeit und den gesellschaftlichen Vertretungsanspruch der politischen Angebote?

Die Tagung möchte das Fernsehen in seiner doppelten Rolle als politischer Akteur und als Objekt von Politik in den Blick nehmen. Sie adressiert daher erstens eine organisatorische Ebene, die medienpolitische sowie -rechtliche Prozesse und Entscheidungen, Akteursbeziehungen und dergleichen umfasst. Welche Wechselwirkungen zwischen der politischen und der medialen Sphäre lassen sich in medialen Strukturen erkennen? Zweitens geht es um politische Inhalte: Welche Bilder von Politik werden im Medium gezeichnet? In welchen Formaten wurden politische Fragen verhandelt, und wie haben sich diese im Laufe der Zeit verändert? Dies kann neben den bekannten Nachrichten- und Gesprächsformaten auch fiktionale und Unterhaltungssendungen miteinschließen, die ebenfalls politische Vorstellungen, Werte und Identitätsangebote transportiert haben. Schließlich wird drittens nach der Aneignung gefragt: Welche Reaktionen auf politische Sendungen gab es, und welche Vorstellungen von Medienwirkungen und -Realitäten wurden im Laufe der Zeit vertreten?

Der Tagung liegt ein weiter Politikbegriff zugrunde, der sowohl die unterschiedlichen Dimensionen von Politik, also Inhalte (Policy), Prozesse (Politics) und Rahmenbedingungen (Polity) miteinschließt, als auch das weitere Feld der Politischen Kultur. Damit sind Darstellungen bzw. Aushandlungen von race, class und gender explizit Teil des hier skizzierten Feldes.

Einreichungen mit Bezug zum Fernsehen und möglichst historischer Perspektive sind u. a. denkbar zu:

  • Medienpolitik
  • Politische Umbrüche
  • Integration/ Segregation von Öffentlichkeiten
  • Darstellungen von Politik
  • Entwicklung/Wandel politischer Formate
  • Politische Zensur und Diskussionen um „Ausgewogenheit“
  • Politik in Unterhaltungsformaten
  • Medialisierung von Politik
  • Politische Effekte/ Medienwirkungen
  • Glaubwürdigkeit/ Medienskepsis

Deadline für die Einreichung: 31. Mai 2025

Einreichungen bitte per Mail an Susanne Hennings (Deutsches Rundfunkarchiv): Susanne.Hennings@dra.de

Eingereichte Abstracts sollten maximal 3.000 Zeichen umfassen (exklusive etwaiges Literatur- oder Quellenverzeichnis). Die Veranstalter*innen entscheiden über die Annahme in einem Review- Verfahren. Rückmeldungen sind im Juni 2025 zu erwarten. Die Vorträge können auf Deutsch und Englisch gehalten werden; Konferenzsprache ist Deutsch. Wir freuen uns auf Ihre Beteiligung

Weitere Informationen auch unter

https://rundfunkundgeschichte.de/jahrestagung2025/

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