CfP: Themenausgabe „Rundfunk in der Krise“

Für die Themenausgabe mit dem Arbeitstitel „Rundfunk in der Krise“ der medienhistorischen Zeitschrift „Rundfunk und Geschichte“, die im Juni 2021 erscheinen soll, werden Beiträge im Umfang von etwa 30.000 bis 40.000 Zeichen gesucht.

Der Arbeitstitel „Rundfunk in der Krise“ ist mehrdeutig angelegt. Zum einen spielten und spielen Hörfunk und Fernsehen in Zeiten gesellschaftlicher Krisen eine zentrale Rolle. Krisenberichterstattung ist ein wesentliches Arbeitsfeld des Rundfunks und insbesondere des Fernsehens, ist gar Teil von dessen innerer Logik. Das entspricht offenbar auch dem Selbstverständnis des Rundfunks, der auf Krisensituationen schnell mit Sondersendungen reagiert und dadurch eine Situation zuallererst als Krise markiert (vgl. Dörner & Vogt 2020). Hier erweist sich „Krise“ nicht nur als diskursiver, sondern womöglich auch als funktionaler Begriff, der einer gesellschaftlichen Selbstverständigung dient. Weichart (2006) hat die Rolle des Fernsehens darin beschrieben, dass es „Krisenbewältigungsmechanismen“ in Gang setzt und damit eine wesentliche gesellschaftliche Funktion in Krisenzeiten übernimmt.

Damit ist die vordergründige Aufgabe des Rundfunks, über Krisen zu berichten, bereits überschritten und ihm eine funktionelle Aufgabe in der Krise zugewiesen (vgl. Löffelholz 2004). Das wird auch darin deutlich, dass das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe empfiehlt, zur Aufrechterhaltung der Kommunikation in Krisensituationen ein von externer Stromversorgung unabhängiges Kurbelradio vorzuhalten – Radio als Medium ist wie die inzwischen verfügbaren Warn-Apps in offizielle Strukturen der Krisenkommunikation fest eingeplant.

In etlichen historischen Beispielen wurde schließlich gezeigt, in welchem Zusammenhang die Kontrolle über den Rundfunk und der Machtanspruch über das zugehörige Territorium gesehen wurde. In den Kriegen und Revolten des 20. Jahrhunderts spielte insbesondere Radio stets eine Rolle, teils in propagandistischer Weise, teils als Medium friedlichen Protests (vgl. Kleinsteuber 2012).

Diese Perspektive lässt sich nun auch so lesen – und das ist eine zweite Dimension des Arbeitstitels „Rundfunk in der Krise“ –, dass der Rundfunk in vielen Fällen durch politische Vereinnahmung selbst in eine Krise geraten sei. Solche Sichtweisen sind oft Ergebnisse nachträglicher Umdeutungen. So war der Rundfunk aus Sicht des Nationalsozialismus Teil einer hochgradig professionalisierten und effektiven Medienmaschinerie; aus der Retrospektive und mit Blick auf die Geschichte des Rundfunks in Deutschland kann diese Zeit zurecht auch als historische Krise des Rundfunks bezeichnet werden.

Dem Rundfunk sind in dessen Geschichte etliche Krisen bescheinigt worden, beispielsweise aktuell die Legitimationskrise des öffentlich-rechtlichen Systems oder eine Relevanz-Krise angesichts zunehmend gleichförmiger und belangloser Dudelfunk-Sender. Tracey (1994) sah in der technologisch ermöglichten Ausweitung des Fernsehangebots einen „Verfall der Idee von öffentlicher Kultur“; er sah die Idee der Kommunikation an sich gefährdet – die Krise des Fernsehens sei also zugleich eine Krise mit gesellschaftlicher Reichweite, eine „Krise des gesellschaftlichen Wertesystems“.

Schließlich lässt sich auch fragen, ob der Begriff „Rundfunk“ an sich längst in eine Krise geraten ist und sich erst noch erweisen wird, ob er die Digitalisierung überlebt – erinnert der Begriff doch an analoge Technologie, an das Funken als Tätigkeit und den Funken, der sich zwischen zwei Elektroden entzündet. „Rundfunk“ oder auch „Broadcasting“ scheinen im Kontext der Sozialen Medien in anderen Begriffen wie zum Beispiel dem Kanal oder Channel aufzugehen, in denen sich das Prinzip „one to many“ durchaus wieder deutlich herausbildet.

Die Zeitschrift Rundfunk und Geschichte sucht Beiträge, die diese vielfältigen Zusammenhänge zwischen Krise und Rundfunk aus historischer Perspektive in den Blick nehmen und idealerweise miteinander verbinden. „Rundfunk“ kann dabei ganz unterschiedlich perspektiviert werden: als journalistisches oder als Unterhaltungangebot, als Programm oder Institution. Beispielhafte Ansätze bieten die folgenden Fragen:

  • Worin besteht und bestand die Rolle des Rundfunks vor, während und nach Krisen oder Krisen–ereignissen?
  • Wie wirken sich globale Krisen auf die ökonomische Situation von Rundfunk aus, und damit auf dessen gesellschaftliche Funktion?
  • In welchem Wechselverhältnis stehen Krisen, über die der Rundfunk berichtet, zu den Krisen, in denen sich Rundfunk selbst befindet?
  • Welchen Anteil an der Deutungshoheit über Krisen hat der Rundfunk?

Denkbar sind Fallanalysen historischer Beispiele ebenso wie Theorieansätze. Auch essayistische Beiträge oder Projektvorstellungen sind erwünscht. Zudem möchten wir ausdrücklich Akademiker*innen aller Qualifikationsstufen ansprechen und zu einer Einreichung einladen.

Bitte senden Sie uns Ihre Vorschläge (ca. 1 Seite) bis zum 15. Dezember 2020 zu:
kiron.patka@uni-tuebingen.de

Sie bekommen noch vor Weihnachten eine Rückmeldung. Die fertigen Beiträge sollen bis zum 15. März 2021 vorliegen. Wir planen anschließend einen Redaktionsprozess von etwa vier Wochen ein.

Das Themenheft wird Ende Juni in gedruckter Form erscheinen. 2 Jahre nach Erscheinen werden die Beiträge zudem in digitaler Form frei veröffentlicht.


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