Erinnerungen an Friedrich Peter Kahlenberg

Nachruf von Heiner Schmitt

Manche Menschen sind – zumindest scheinbar – Glückskinder, fällt ihnen doch beruflicher Erfolg wie privates Glück regelrecht in den Schoß. Dass dies in aller Regel mit harter und unermüdlicher Arbeit, mit Beharrlichkeit und größtem Einsatz verbunden, erkämpft werden muss, ahnen nur wenige und halt die Insider.

Bei Friedrich P. Kahlenberg verlief die berufliche Karriere ebenso geradlinig wie lückenlos. Vom Referendar bis zum Präsidenten des Bundesarchivs, was für eine Laufbahn! Vom Facharchivar zum anerkannten Hochschullehrer und zum geachteten Wissenschaftler, sprich Historiker; das waren Eckpunkte und Stationen eines erfüllten Berufslebens.

Als Präsident des Bundesarchivs und damit oberster Archivar der Republik hatte Friedrich P. Kahlenberg nicht nur eine fachliche Mammutarbeit zu leisten, nein, er musste, wie weiland Herkules, die eigentliche Herausforderung für das deutsche Archivwesen im 20. Jahrhundert schultern: Die Zusammenführung der obersten staatlichen Archive in Ost und West. Dies gelang dem unermüdlichen Arbeiter im Weinberg des Herrn mit bemerkenswertem Erfolg und in großer Harmonie.

Als Präsident war Friedrich P. Kahlenberg Nachfolger des schillernden Hans Booms, eines Strahlemanns im deutschen Archivwesen. Der eher ruhige, bedächtige und bescheiden auftretende neue Präsident tat nicht nur dem Bundesarchiv gut und war der Garant für den erfolgreichen Zusammenschluss der deutschen Archive, sondern er repräsentierte sein Haus ebenso erfolgreich bei den obersten Bundesbehörden wie gegenüber Wissenschaft und Forschung.

Als Archivar wie als Hochschullehrer pflegte Kahlenberg umfangreiche wissenschaftliche Kontakte mit west- und osteuropäischen Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen. Diese Osteuropakontakte lagen ihm ebenso besonders am Herzen wie seine Tätigkeiten in Irland, vornehmlich in Dublin. Hier wird sicher seine treue Schülerin Aideen Ireland um ihn trauern wie seine Freunde in Osteuropa.

Friedrich P. Kahlenbergs besondere Liebe galt dem Film und dem Rundfunk, also generell den neueren Medien. Schon als Abteilungsleiter, dem im Bundesarchiv die audiovisuellen Sammlungen unterstanden, setzte Kahlenberg fachliche Akzente. Hier wurden nicht nur eine umfangreiche Sammlungs- und Sicherungstätigkeit ausgebaut, sondern auch bezüglich der Nachkriegsüberlieferung neue Initiativen hinsichtlich Filmförderung und Erhaltung des AV-Erbes initiiert. Der Kinematheksverbund zwischen Bundesarchiv, Deutschem Institut für Filmkunde und Berliner Stiftung Deutsche Kinemathek ist im Wesentlichen sein Werk. Bei diesen Vorlieben ist es nicht verwunderlich, dass Friedrich P. Kahlenberg eine ganz besondere Beziehung zu den Medienarchivaren in der Fachgruppe 7 (Medienarchivare) des Verbands der Deutschen Archivarinnen und Archivare (VdA) oder heute auch des Vereins für Medieninformation und -dokumentation (VfM) hatte. Vielfach stellte er Referenten für Frühjahrstagungen abund schaltete sich selbst in die Fachdiskussionen ein.

Und dann gab es da noch den Studienkreis Rundfunk und Geschichte, von Wilhelm Treue und Walter Först begründet. Mit Kahlenberg als Vorsitzendem (1983 bis 1991) erreichte diese Vereinigung – damals eine geglückte Synthese von Fachleuten aus den Bereichen Rundfunktechnik, Programm und Wissenschaft – ihren Höhepunkt. Friedrich P. Kahlenberg setzte hier auch im Bereich wissenschaftliche Aufarbeitung des Rundfunks neue und wichtige Schwerpunkte: Neben einer Geschichtsschreibung mit Schwerpunkt Institutionen- und Programmgeschichte kümmerte er sich verstärkt um Rezeptionsforschung, was seinem sozialgeschichtlichen Ansatz entsprach. Die Jahrestagungen des Studienkreises und die erfolgreichen Doktorandenkolloquien in der Sportschule Grünberg dokumentieren das nachdrücklich.

Bleibt noch zu erwähnen, dass Friedrich P. Kahlenberg sich bis zu seinem Tod aktiv als Wissenschaftler betätigte, war er doch Vorsitzender der Kommission für die Geschichte des Landes Rheinland-Pfalz. Monika Storm und Joachim Mertes haben dies in einem Nachruf des Landtages von Rheinland-Pfalz gewürdigt.

Und schließlich war da noch der Mensch Friedrich Peter Kahlenberg: Ein Mann mit Empathie, mitreißendem Engagement und ansteckender Begeisterung. Friedrich P. Kahlenberg besaß wirkliche Herzensgüte, war ein hervorragender Mentor und seinen Studenten sowie dem archivarischen Nachwuchs ein erfolgreicher Lehrmeister, aber nie ein Zuchtmeister. Seine wahre Humanität zeigte sich besonders im Verhalten gegenüber seinen Mitarbeitern; nie war er überheblich, er behandelte den Magazinmitarbeiter ebenso freundlich und verständnisvoll wie seine Abteilungsleiter. Kahlenberg konnte nachdenklich sein, er konnte – und hier wirkte er fast fernöstlich – beredt schweigen und dennoch überzeugen.

Dabei blieb Friedrich P. Kahlenberg persönliches Leid nicht erspart: Der allzu frühe Tod seines hochbegabten Sohnes Heinrich, dem wir ein umfangreiches künstlerisches Oeuvre verdanken, traf ihn hart.

Friedrich P. Kahlenberg war immer ein guter treuer Freund und Weggefährte, um den wir trauern. Nie werde ich vergessen, wie er bei einer Akademieveranstaltung in Tutzing in tiefer Nach zu Bouzouki-Klängen, bestaunt von K. F. Reimers und anderen Koryphäen, auf dem Tisch tanzte. Leb´ wohl Friedrich, teurer Freund, Kamerad, Mentor und Weggefährte.

Friedrich P. Kahlenberg (von 1983 bis 1991 Vorsitzender des Studienkreises) verstarb am 16. Juli im Alter von 78 Jahren nach langer Krankheit.

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