Leipzig war ein Lebensthema

Interview mit Karl Friedrich Reimers anlässlich seines 80. Geburtstags

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Karl Friedrich Reimers, Mitgründer des Studienkreises Rundfunk und Geschichte, begeht am 3. März seinen 80. Geburtstag. Margarete Keilacker nahm das Jubiläum zum Anlass für ein Interview.

Die wichtigsten Berufsstationen von Prof. Dr. phil. Karl Friedrich Reimers: 1960 bis 1962 Lübeck-Forschungsauftrag an der Universität Hamburg, 1963 bis 1964 Referent am internationalen „Haus Rissen“-Institut in Hamburg, 1964 bis 1974 Institutswissenschaftler und Dozent für Publizistik und Zeitgeschichte in Göttingen, 1975 bis 2001 Ordinarius für Kommunikations- und Medienwissenschaft an der HFF München, 1976 bis 1992 nebenamtlicher Professor an der LMU München, 1991 bis 1993 Gründer der Kommunikations- und Medienwissenschaft in Leipzig, seit 1992 Leipziger Universitäts-Honorarprofessor für Zeitgeschichtliche Publizistik.

Ihr beruflicher Lebensweg führte über Göttingen nach München und dann (zusätzlich) nach Leipzig. Gibt es eine Station, die Sie nicht vermissen möchten?

Der eigentliche Weg in das wissenschaftliche Vielfelder-Gelände „Geschichte und Publizistik“ eröffnete sich in der Medienmetropole Hamburg zwischen 1958 und 1963. Parallel zudem im geteilten Berlin. Unvergessbar: das „empirische Augenöffnen“ bei Gerhard Maletzke im früh vertrauten Hans-Bredow-Institut mit seinem Grundlagen-Colloquium zu den Wirkungen von Hörfunk und Fernsehen. Er hat auf mich einen großen Einfluß geübt, einmal wegen seiner empirischen Forschung (bis zum „Fliegenbeine zählen“, was dazu gehört), dabei aber immer den großen historischen Prozeß im Auge.
In Göttingen ab 1964 konnten Film, Radio und Fernsehen zügig in die International Scientific Community eingebracht werden. Mit ihren Stipendiaten-Programmen haben die DFG und die Max-Planck-Gesellschaft dabei weitblickend, schnell und folgenreich kooperiert. An der Universität Göttingen wurden endlich in größerer Zahl Examensarbeiten in unserem Schwerpunkt geschrieben. In Klammern: 1965 konnte dort unsere Familie gegründet werden, und ab 1966 griff das NDR-Wissenschaftsfernsehen in Hamburg immer häufiger auf seinen früheren studentischen Programmberater zurück. Kurz: Göttingen bis 1975 bleibt die Basis für das meiste Spätere.

Aber auf keinen Fall vermissen möchte ich Leipzig (genau übrigens ab meiner Karl-Bücher-Gastvorlesung am 18. Oktober 1990, noch auf Einladung der Sektion Journalistik der ehemaligen Karl-Marx-Universität). Leipzig ist nichts irgendwie „Zusätzliches“, sondern vielmehr die größte und konsequenteste Herausforderung meines beruflichen Lebens. Bis heute!

Worin bestand diese? War es eher eine menschliche, wissenschaftliche oder politische?

Das kann man nicht auseinanderhalten. Ich kann mit dem Menschlichen beginnen. Da ich in einem Pfarrhaus aufgewachsen bin, hatte ich zu vielen Menschen in Mitteldeutschland gute Beziehungen, vor allem zu den Theologen, weil mich die Weltbild-Forschung interessierte. Dabei auch: Was hat das mit Karl Marx zu tun? War er „wirklich“ ein Weltbild-Produzent? Ich wollte wissen, was wird aus einer Universität, die sich Karl Marx verpflichtet hat, sich dann aber in einem etwas anders strukturierten System wiederfindet. Und was hat das mit Kommunikationspolitik und mit den Medienberufen zu tun? Noch dazu bei einer Journalistik, die an der KMU eigentlich eine staatssozialistisch konzipierte Medienfakultät war. Und das in einem Land, das mal eine Kulturnation darstellte.

Deswegen war Leipzig für mich ein Lebensthema. Diese konkurrierenden Systeme in Deutschland seit 1945 interessierten mich, weil dort eine deutschsprachige Kultur in großer Vielfalt zu Hause war. Wie sich in diesem Moment, als sich die konkurrierenden Systeme auflösen, Lebensverhältnisse und Weltbilder verändern und neu entwickeln können. Und was man dort machen kann, wenn sich die „politische“ Konkurrenz auflöst. Deswegen habe ich ja, persönlich und beruflich, in der Phase, in der alles noch einigermaßen beweglich war, ein bisschen dafür gesorgt, dass die sehr unterschiedlichen Lebenserfahrungen und wissenschaftlichen Bindungen in Leipzig zusammengeführt werden. Deshalb habe ich auch dafür gestritten, dass Leipzig nicht nur am Leben bleibt, sondern systematisch zugleich die Pilotphase für eine ganz neue Entwicklung wird. Darum finde ich es auch so wichtig, dass der Zukunftskomplex Kommunikations- und Medienwissenschaft entstanden ist. Noch dazu in Leipzig, wo unser Fach ja 1916 institutionell begründet wurde. Hin von der bisherigen Journalistik zur Kommunikations- und Medienwissenschaft: Das war der entscheidende Sprung und meine eigentliche Herausforderung. Viele Leute „im Westen“, die das überhaupt nicht wollten, konnte ich zum Glück durch schnelles Handeln überraschen und „einfach über den Tisch ziehen“.

Sie haben sich in einem Großteil Ihres wissenschaftlichen (und auch persönlichen) Lebens zunächst mit dem Projekt „Zweimal Deutschland“ und dann als Gründungsdekan der Kommunikations- und Medienwissenschaft in Leipzig mit der Medienentwicklung in den jetzt Neuen Bundesländern befaßt. Wenn Sie zurückblicken: Was war in diesem Zusammenhang das persönlich Schönste, und worüber haben Sie sich besonders geärgert?

Die so genannten Neuen Bundesländer sind für mich als einen frühen Europäer vor allem historisches Mitteldeutschland. Das persönlich Schönste bleibt in einer ganz besonderen Weise, welches Vertrauen mir erfreulich schnell in Leipzig, Dresden, Potsdam-Babelsberg und im DDR-geprägten Teil Berlins entgegengebracht wurde, bald auch besonders in Thüringen. Ein großes Geschenk! Richtig geärgert, ja fassungslos gemacht haben mich viel zu viele Situations-„Glücksritter“ aus der Alt-Bundesrepublik der beginnenden 1990er Jahre. Die meinten zu oft anmaßend, „im Osten“ – von dem die meisten bis dahin überhaupt keine Ahnung hatten – nun schnell für sich das herausholen zu können, was ihnen in der alten Bundesrepublik meistens aus guten Gründen verwehrt bleiben mußte. Unglaubliche Geschichten…

Das klingt nach mehr…

Diese Anmaßung von Leuten, vorwiegend aus dem Süden und dem Westen der alten Bundesrepublik, die bei uns in Leipzig überhaupt nichts zu suchen hatten und nachts privat in München anriefen, hat mich extrem aufgeregt. In der Ritterstraße [Gästehaus der Universität Leipzig] hatte ich kein Telefon, und ein Handy gab es wunderbarerweise auch noch nicht. Sonst hätte ich mich in wichtigen Augenblicken nicht mehr zurückziehen können. Auch die politisch Verantwortlichen konnten mich nicht jederzeit einfach erreichen. An solchen gar nicht kleinen Dingen sieht man, wie die Kommunikationstechnik sich im Lebenslauf auswirkt.

Auf der anderen Seite muss man, um fair zu bleiben, sagen: Es gab nicht simpel den Unterschied: einerseits die ehemaligen DDR-Bürger, alle hochanständig und überzeugend, und anderseits Leute aus der alten BRD, die vor allem „Situationsgauner“ waren. Es gab hochanständige Bundes-Deutsche, die wirklich für die Ex-DDR etwas tun wollten. Aber die „Glückritter“ waren so unheimlich gut vernetzt und versuchten, manipulativ auf mich einzuwirken. Dass es so viele waren, hat mich als Alt-BRDler richtig bedrückt; eine Provokation der negativsten Art.

Wie schätzen Sie die Medienentwicklung in den neuen Bundesländern heute ein?

In den Ländern der heutigen östlichen Bundesrepublik konnten sich seit 1990 mühsam, aber zäh und unverwechselbar ganz eigene Medienstrukturen entwickeln. Die anfängliche, leider nicht vermeidbare Abhängigkeit von Alt-BRD-Mustern und -Wirtschaftsvorgaben wurde an erfreulich vielen Orten durch eigenwillige journalistische Selbstbehauptungen und betont mitteldeutsche Programmlinien überwunden: der große deutsche Plural! Digitalisierung und Computerfixierungen wiederum führen mittlerweile „subkutan“ zu einer bisher unbekannten Art von kommunikativ-ästhetischer Sinnes-Gleichschaltung; ein Vorgang, der durchaus historische Tragweite in sich bergen kann. Wohin dieser immer hektischer um sich greifende Trend uns alle einmal führen wird, bleibt vorerst völlig offen.

Kommen wir zunächst mal auf die Medienentwicklung in Mitteldeutschland – ein von Ihnen bevorzugter geografischer Begriff – zurück: Sehen Sie einen Unterschied in der Entwicklung von Rundfunk und Presse?

Das ist relativ eindeutig: Die Printmedien sind ja sehr schnell zur „Alleinstellungspresse“ übergegangen. Die westdeutschen Verleger haben sich die Zeitungen in der ehemaligen DDR unter den Nagel gerissen. DDR-geprägte Journalisten mussten täglich viele Kompromisse machen. Aber, durch das tägliche Arbeiten im Sinne eines selbstbewußten Journalismus haben sich die Besitzverhältnisse in ihrer Mächtigkeit schnell relativiert. Es gibt einen ost-bundesrepublikanischen Journalismus.

Stärker ausgeprägt ist das im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, wo die Gremien sich Zug um Zug befreien konnten von dem aus der Bundesrepublik eingeschleusten Proporz-Ungeist. Endlich: Der MDR hat eine in der DDR aufgewachsene Intendantin, der MDR-Rundfunkrat eine von der DDR-Geschichte geprägte Vorsitzende; die Professorinnen Dr. Karola Wille und Dr. Gabriele Schade verkörpern geradezu ideal das neue Selbstbewusstsein in allen drei Vertragsländern des heutigen Mitteldeutschen Rundfunks.

Die Programmentwicklung im heutigen ost-bundesrepublikanischen Rundfunksystem ist stark eigengeprägt. Die immer wiederholte Aussage, dass sie zu stark unterhaltungsorientiert sei, halte ich nicht für belastbar. Auf jeden Fall gibt es andere Erzählmuster, andere Hörspieltraditionen, einen ganz eigenen erzählerischen Horizont. Ich empfinde das als Bereicherung, weil in den verschiedenen Teilen Deutschlands „Welt“ unterschiedlich wahrgenommen und erzählt wird.

Sie sprachen von kommunikativ-ästhetischer Sinnes-Gleichschaltung. Das bewegt mich selbst auch. Sehen Sie tatsächlich die Digitalisierung und Computerfixierung als einzigen Grund dafür?

Das ist im Moment der gut absehbare Grund. Da werden sich die Folgen eindeutig zeigen. Aber es gibt natürlich auch auf allen Ebenen der Zeit-Wahrnehmung ein schnelles Sich-Anpassen. Das ist die große Gefahr. Der Mensch neigt dazu, sich anzupassen; das geht uns selbst ja auch so. Und dabei ist ihm vielleicht nicht genügend bewußt, dass er einen eigenen Schatz aufgibt. Und eines Tages stehen wir dann vor einer Welt, in der alles „gleichgeschaltet“ ist, ohne dass wir das so wollten. Wir wollten ja nur, dass alles gleichzeitig erreichbar ist. Jetzt kann es aber durchaus dazu kommen, dass wir in eine große sinnliche Gleichschaltung hineingeraten (dazu: am Ende selbst jederzeit und überall „verfolgt“ werden können). Und das wäre fatal!

Sie haben häufig Ausbildungsprogramme für Kommunikations- und Medienwissenschaften begutachten dürfen. Ich habe den Eindruck, die rundfunkhistorische Ausbildung kommt darin meistens zu kurz (oder fast nicht vor). Wie ist Ihre Meinung?

Ohne Film, Radio und Fernsehen als historisch gewordene Forschungsquellen lassen sich entscheidende Veränderungsphasen in den Gesellschaften, Wirtschaftssystemen und Politiksystemen des 20. Jahrhunderts nur mangelhaft erhellen und darstellen. Von unserem neuen Jahrhundert ganz zu schweigen. Das heißt: Es muss um Rundfunk in der Geschichte und damit korrespondierend um Geschichte im Rundfunk gehen. Mit Geschichte ist immer und vor allem anderen der größere Lebenszusammenhang gemeint, keine nur kurz greifende Spezialistenperspektive. Einzelforschungen haben ihr eigenes Gewicht. Ihre Bedeutung für den wissenschaftlichen Orientierungsdiskurs aber erweist sich erst vor dem größeren Horizont, den wir unter „Geschichte“ verstehen.

Rundfunkhistorische Studienangebote, die von einem solchen Erkenntnisansatz ausgehen, werden immer einen stabilen Platz im Gesamtgefüge behaupten können und den interessierten Nachwuchs ansprechen. Gerade derartige Grundüberlegungen sollten ja 1991 mit dazu führen, dass wir in Leipzig den ersten Universitätslehrstuhl für Historische und Systematische Kommunikationswissenschaft in den deutschsprachigen Ländern eingerichtet haben. Keine simple Addition: forschende wie lehrende Integration!

Gibt es nun zu wenige Angebote oder nicht?

Ja, das liegt aber daran, dass zu selten im Zusammenhang der Medienwelt gedacht wird. Es gibt zu viele Angebote von Wissenschaftlern, auf der Suche nach Themen, die einigermaßen „aktuell passen“ könnten. Auch mal dazu etwas machen… Das ist der falsche Zugang. Die Hörfunk- und Fernsehsysteme müssen im größeren Kontext der Gesamtmedienlogik eines Landes oder einer Zeit gesehen werden; die Studienangebote gerade von daher einen eigenen und begründeten Platz haben. Das muss eindeutig plaziert werden von denjenigen in den Hochschulkollegien, die dafür sensibilisiert sind.

Die Geschichte des Rundfunks gehört als integraler Bestandteil der Gesamtgeschichte ins Hochschulprogramm. Es darf keinen Studenten der Journalistik und der PR – um die beiden Außenflügel zu nennen – geben, der nicht in diesem Zusammenhang sein Studienangebot bekommt. Das werden ja sonst leicht hochspezialisierte Banausen. Die Geschichte des Rundfunks ist ein zentrales Thema der Allgemeinen Geschichte – der privaten wie der öffentlichen Medien-Kommunikation. Übrigens sind das ganz frühe Diskussionen…

Ja, aber das scheint mir momentan wieder extrem wichtig zu sein.

Ja, weil in die „reinen“ Einzelforschungen, die zum Teil durchaus bewundernswert und für sich wichtig sind, arg viel Tüchtigkeit und Zeit investiert wird. Und dann fragt man sich: Was bedeutet das? Weil diese Einzelforschungen oft pure Gelegenheitsarbeiten waren. Etliche Dissertationen wurden nicht eingebunden in die größere geschichtsbewußte Nachdenklichkeit. Und diese tiefer greifende Reflexion ist Aufgabe der Universität. Wenn sie diese nicht erfüllt, brauchen wir eine solche Hohe Schule nicht mehr. Dann können wir alles viel „besser“ an Fachhochschulen delegieren. Wenn wir aber weiter eine Universität haben wollen – ich will das – müssen wir endlich wieder gerade auch im Einzelnen auf den integrierenden Gesamtzusammenhang zurückkommen. Ohne den das Ganze witzlos ist, ohne Horizont.

Damit sind wir schon mitten in meiner letzten Frage: Als Wissenschaftler und Gründungsmitglied des Studienkreises Rundfunk und Geschichte haben sie sicherlich auch die rundfunkhistorische Forschung verfolgt. Welche Erfolge und welche Lücken sehen Sie dort in der letzten Zeit? Wir stellen beim medienhistorischen Kolloquium in Lutherstadt-Wittenberg immer wieder fest, dass nur ein paar standhafte „Exoten“ sich noch solchen Themen widmen. Die meisten Nachwuchswissenschaftler wollen sich mit Computerisierung und Multimedia befassen.

Wir wissen, dass durch die staatliche Neu-Vereinigung von 1990 nicht zuletzt auch unsere rundfunkgeschichtliche Forschung in Deutschland einen hoch erfreulichen Aufschwung erfahren hat. Eine große Zeit für den wissenschaftlichen Nachwuchs aus dem vorherigen „Zweimal Deutschland“. Jetzt wird es nach vielfältigen Entdecker- und Kärnerarbeiten wesentlich darauf ankommen, den wissenschaftlich-theoretischen Horizont, der allen gemeinsam sein sollte, zukunftsträchtig zu aktualisieren. Besonders wichtig: Internationale Perspektiven.

Es ist auch dieser alte Disput zwischen Technik- und Allgemeingeschichte. Wenn wir technisch eine neue Entwicklung haben, wird die selbstverständlich auch genutzt. (Ich nutze sie bewußt nur in einigen ausgewählten Teilen.) Aber die Technikgeschichte als solche ist zunächst mal eine reine Erfinder- und Optimierungsgeschichte, das hat mit weiterführenden Inhalten im Anfang wenig zu tun. Und dann kommt jeweils ein großer Sprung: Die heutige Digitalisierung hat natürlich Konsequenzen im ganzen Bereich der Erzählwelten, die Narrativität verändert sich und damit auch das Wahrnehmen der Medienangebote.

In keinem Bereich ist die Rückbesinnung auf das große Thema Geschichte so wichtig wie bei der Rundfunkgeschichte, weil es immer wieder die Versuchung gibt, sie zu sehr auf Technikgeschichte zu reduzieren. Immer wieder geht es auch um die Instrumentalisierung technischer Systeme für die Politik. Die Geschichte des Dritten Reiches beispielsweise ist nicht zuletzt auch eine Modernisierungsgeschichte, die sehr stark mit der Rundfunkgeschichte und der Filmentwicklung zusammenhängt. Wenn wir in Deutschland nicht das Radio und eine vorhergehende große Filmgeschichte gehabt hätten, dann hätten die Nazis in bestimmten Bereichen nicht ihre manipulative Propaganda aufbauen können.

Zum Abschluss: Alle, die Sie kennen, wissen, dass Sie eigentlich ein eifriger Anekdoten-Erzähler sind. Das kam in unserem Gespräch ein wenig zu kurz. Gibt es vielleicht im Zusammenhang mit dem Studienkreis eine, die Sie uns nicht vorenthalten wollen?

Eine Anmerkung zur Stuttgarter Zeit-Dialektik. 10. Juni 1969 in Ludwigshafen, Gründungsversammlung für den Studienkreis Rundfunk und Geschichte. Gemeinsames Mittagessen mit Hans Bausch, Intendant des Süddeutschen Rundfunks. Promovierter Historiker und bald darauf Universitäts-Honorarprofessor. Der Intendant hat die Versammlung im Namen der ARD und deren Historischer Kommission eröffnet. Lebhaft bekundet er in kleiner Tischrunde seine persönliche Vorfreude auf unsere Göttinger Grundlagen-Publikation, die wenige Monate darauf erscheinen soll: „Zeitgeschichte im Film- und Tondokument. 17 historische, pädagogische und sozialwissenschaftliche Beiträge“. Gleich 1970 wird dieses Buch zu einem „Eisbrecher“ (Bausch) auf den damals noch ziemlich erstarrten Dialog-Gewässern „zwischen den Fakultäten“. Bausch dazu sofort: „Eine wissenschaftlich-publizistische Pioniertat! Schade, dass wir Sie nicht bei uns in Stuttgart haben. Können wir Ihr Göttingen nicht hierher holen?“

Zeit-Sprung: Stuttgart, 29. November 1993. Im Sendesaal Villa Berg des damaligen SDR wird der begehrte Hans-Bausch-Medienpreis verliehen. Der Hauptpreis geht an mich: für den Aufbau der Kommunikations- und Medienwissenschaft an der Reform-Universität Leipzig und für die universitäre Profilentwicklung an der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) in München. Das Besondere in diesem historischen Augenblick: Eine parallele Fördergabe erhalten Dr. Monika Künzel, an der KMU Leipzig promovierte Chefredakteurin des Deutschlandsenders Kultur, und der katholische Fernsehbeauftragte Dr. Peter Kottlorz. Wäre Hans Bausch da noch am Leben gewesen, über diese lebenskluge Dreier-Auswahl hätte er sich bestimmt von Herzen gefreut. So sind wir auf anderer Ebene doch noch in seinem Stuttgart zueinander gekommen, fast orts-dialektisch… Eulenspiegels Spätnachfahre darf dankbar und zufrieden schmunzeln.

(Text weicht leicht von der Print-Fassung ab)

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